Interview

Brandenburger sind Skeptiker

Antje Rávic Strubel, Autorin einer humoristischen Gebrauchsanweisung für Brandenburg, über den besten Ort für Neulinge, den Drang zur Belehrung der Einheimischen und darüber, ob es noch No-go-Areas gibt

Warum sollte man sich in Brandenburg verlieben? Es gibt doch viel schönere Orte auf dieser Welt.
Nehmen Sie sich einen Sommertag lang Zeit. Schnallen Sie sich Skates an die Füße oder setzen Sie sich aufs Rad und fahren einen der schmalen, nicht endenden Radwege durch Wälder, Wiesen, an Flussufern und Seen entlang. Oder Sie mieten sich ein Kanu und paddeln durchs Kremmener Luch, über die Seen im Ruppiner Land oder durch den Spreewald. Und schon ist sie da, die Liebe zum berauschenden hellen Grün.

Was muss man mitbringen, um Brandenburg zu mögen?
Einen Hang zur Romantik, die ihren Rausch in der Askese findet. Geduld. Und eine Vorliebe für Minimalismus.

Wo fährt ein Anfänger aus Berlin am besten hin?
Nach Lindow in der Mark. Das Städtchen wird von drei Seen umschlossen. Auf verwunschenen Uferwegen kann man die Seen zu Fuß umrunden. Anschließend gehen Sie in Neuruppins Up-Hus-Idyll Abendessen oder trinken einen Weißwein im Weinhaus am Neuen Markt.

Wovor sollten sich Städter auf dem Land besonders in Acht nehmen?
Vor der Belehrung. Die Belehrung ist allgegenwärtig. Jeder, von dem Sie eine Leistung wünschen, ist zunächst Ihr Erzieher. Das mag entmündigend klingen, wenn Ihnen beim Bäcker zunächst gesagt wird, was erlaubt ist und was nicht. Einen Stuhl vom Schatten in die Sonne zu rücken, könnte schon nicht erlaubt sein. Dieser pädagogische Drive soll allerdings der Orientierung dienen: Sie sollen gleich wissen, wie der Hase läuft.

Gibt es noch No-go-Areas?
Probleme mit Rechten gibt es leider immer wieder, wenn auch weniger häufig und brutal als noch in den 1990ern. In vielen Städten haben sich starke Bürgerbündnisse gegen Rechts gebildet. Da gehen die Einwohner auf die Straße, um mit Töpfen und anderem Küchengerät soviel Lärm zu machen, dass der angekündigte Nazi-Aufmarsch übertönt wird.

Wie nähert man sich den Einheimischen?
Eines der wichtigsten Prinzipien eines brandenburgischen Gesprächs besteht darin, sich kurz zu fassen. Die Themenvielfalt ist so groß wie überall. Worauf es ankommt, ist, sie mit dem kleinstmöglichen Wortaufwand zu bewältigen. Die Brandenburger sind Skeptiker. Ihre Skepsis gilt allem Menschlichen, speziell seinem Ausdruck, der Sprache. Also greifen Sie zu, wo es was zu tun gibt, aber belobhudeln Sie bitte hinterher nicht die gute Zusammenarbeit. Lautes Verkünden der Gefühle zeugt von Falschheit. Das Ideal: Je wortloser zwei Menschen beieinander sind, desto inniger ist ihr Verhältnis.

Die drei wichtigsten Dinge, die man in Brandenburg braucht, um zu überleben?
Man sollte nicht gleich zimperlich werden, wenn die Bedienung im Lokal mürrischer ist als im verschnatterten Sachsen beispielsweise. Man sollte außerdem eine gewisse Bereitschaft zum politisch unkorrekten Witz haben. Im Land der abgehärteten Seelen sind die Späße selten zart. Ich würde eher von heilsamen Schockern sprechen, mit denen die Unbill des Lebens abgeleitet werden soll. Denn im Bauern- und Soldatenland mit seinen Sumpf- und Sandböden ging es jahrhundertelang nicht sanft zu, sondern oft ums Ganze, um Leben und Tod. Und den Gourmetgaumen würde ich zu Hause lassen.

Antje Rávic Strubel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg, Piper, 14,99 Euro