Interview

David Walliams, Star der Comedy-Serie „Little Britain“ über seinen neuen Roman

“Okay, wollen wir jetzt Bücher klauen?”, so beendet David Walliams das zitty-Interview in der Bibliothek vom Aufbau-Verlag. Und plötzlich ist er wieder der böse, geschmacklose Comedian aus „Little Britain“ und „Come Fly With Me“, der gerne Fat-Suits trägt, Kotzorgien veranstaltet und dem nichts in her Majesty’s Königreich heilig ist.

Im Gespräch entpuppt sich Walliams als angenehmer und kluger Interviewpartner, der sehr genau weiß, was er tut und seine Arbeit liebt. Neben Film und Fernsehen gehört dazu seit drei Jahren auch das Schreiben von Kinderbüchern. In Großbritannien ist er mit seiner freundlichen und großzügigen Art längst zum gefeierten Star geworden, der auch schon mal den Ärmelkanal durchschwimmt und damit eine halbe Million Pfund für ein Waisenhaus in Äthiopien sammelt. Seit 2010 ist Walliams mit dem britisch-holländischen Supermodel Lara Stone verheiratet. Und er liebt es, Bücher zu klauen.

Warum schreibt ein Comedystar Bücher für Kinder? Ich hatte einfach die Idee für ein Kinderbuch: Was wäre, wenn ein Junge als Mädchen verkleidet in die Schule ginge? Und ich liebe Kinderbücher. Dann hatte ich das Glück, dass ich mit Quentin Blake zusammenarbeiten konnte, der alle Bücher von Roald Dahl illustriert hat, die ich selber als Kind sehr geliebt habe. Das habe ich sehr genossen und es ist auch eine schöne zweite Karriere für mich.

Sie schreiben keine gewöhnlichen Kinderbücher … Was sind denn gewöhnliche Kinderbücher?

Das sind Bücher, die Eltern ihren Kindern schenken, mit positiven Vorbildern. Warum sind Ihre Helden eher ungewöhnliche Kinder? Ich wollte bei meinen Geschichten immer ehrlich sein. Ich weiß, Kinder lieben Bücher wie „Harry Potter“. Aber die reale Erfahrung von Kindern ist, dass das Leben ziemlich langweilig ist und dass man eben keine Superkräfte hat. Ich wollte kniffligere Themen behandeln, wie im ersten Buch, in dem es um einen Jungen geht, der sich gerne wie ein Mädchen anzieht. Oder im zweiten, ob man sich als Kind mit obdachlosen Menschen anfreunden kann.

Die Eltern in Ihren Geschichten sind ziemlich gemein zu ihren Kindern … Gemein nicht. Sie haben Probleme, die Familien sind eher dysfunktional. Ja, die Eltern funktionieren nicht mehr richtig.

So wie der Vater von Dennis in „Kicker im Kleid“, der sich nicht um seine Söhne kümmert, weil sein Job ihn so belastet? Dass sich Dennis als Mädchen anzieht, bringt schließlich die Familie wieder zusammen. Denn das verändert alles.

Benny Hill trat gerne in Frauenkleidern auf, Sie spielen in „Little Britain“ oft Frauen und Dennis zieht gerne Mädchenklamotten an. Ist Cross-dressing eine britische Spezialität? Ja, und ich trage jetzt gerade auch Spitzenunterwäsche. (lacht). Es scheint wirklich eine britische Obsession zu sein. Bei den Monty Pythons gehört das ebenfalls dazu. Männer in Frauenkleidern sind wirklich Teil des britischen Humors. Ich kann es auch nicht erklären, aber Frauenkleider zu tragen ist immer ein wundervolles Gefühl der Befreiung. Sie sollten das auch mal versuchen.

Ein andermal. Auch Cloes Mutter in „Mr Stink“ ist eine Horror-Mom. Oh ja, Mrs Crumb ist ein echtes Muttermonster. Sie ist sehr ehrgeizig und lieblos, aber am Ende lernt sie, dass sie ihre Tochter liebt, und auch, wie sie ihr das zeigen kann. Eines ist wichtig: Kindergeschichten müssen polarisieren, sie brauchen extreme Gegensätze. Das macht die Geschichten für Kinder wirklich anschaulich.

Dann sehen sie Ihre kindlichen Protagonisten eher als Vorbilder an? Ja, das ist die Reise zum Erwachsensein. Man kommt an einen Punkt, an dem man nicht mehr einer Meinung mit den Eltern ist, wo man das Zuhause verlassen will und nicht mehr das Kind seiner Eltern sein will. In beiden Büchern tragen die Kinder diesen Kampf gegen die Eltern aus, weil sie sie einschränken. Und weil sie die Rollen tauschen und die Kinder die Initiative übernehmen machen sie die Dinge besser.

Welche Art von Hilfe brauchen Kinder, um erwachsen zu werden? Mr Stink hilft Cloe bei ihren Problemen … Ja, das war eine Herausforderung für mich, diese beiden Menschen zusammenzubringen. Eltern würden es wahrscheinlich nicht gerade begrüßen, wenn ihre Kinder sich mit Fremden auf der Straße treffen. Aber die Geschichte ist ja eine Fabel. Es geht um Vorurteile, darum, dass man Menschen nicht nach ihrem Geruch, also ihrem Äußeren, beurteilen sollte. Da ist dieser wirklich übel stinkende Mann, und Chloe will ihm helfen, sein Leben zu verbessern, und dann macht er ihr Leben besser. Ich wollte, dass es ein bisschen magischer ist, so wie am Ende des Buches, wenn Mr Stink in der Vollmondnacht verschwindet. Da fragt man sich: Gibt es ihn wirklich?

Hat „Mr. Stink“ mit den London-Riots eine schreckliche Realität bekommen? Cloes Mutter ist Parlamentsabgeordnete und fordert eine„Ausgangssperre für alle Kinder unter 30 Jahren nach 20 Uhr“. Die Leute in England denken im Moment genauso. Es ist schon erstaunlich, wie alle politisch weit nach rechts gerutscht sind. Ich saß in einem Taxi und der Fahrer sagte: „Sie sollten Scharfschützen auf den Dächern verteilen!“ Man muss sich das vorstellen: Da stiehlt jemand einen Kaugummi und wird dann erschossen …

Als ich die Aufstände im Fernsehen sah, musste ich an Vicky Pollard, eine ihrer Figuren aus „Little Britain“ denken. Vicky? Oh ja, sie war bestimmt in die Aufstände verwickelt! Sie ist als Figur ja eine groteske Übertreibung eines artikulationsunfähigen Teenagers. Als die Riots geschahen, gab es in Großbritannien eine scharfe Spaltung zwischen den Menschen, die mit den Kids sympathisieren und sagen, diese Jugendlichen brauchen mehr Bildung und mehr Chancen, und denen, die sie am liebsten alle einsperren wollen. Und dann fragte man ein paar der Krawallmacher auf der Straße, warum sie mitmachen. Und einige davon sind gar nicht in der Lage, sich auszudrücken, andere sagen: „Ich brauch das Zeug halt!“ oder „Wir wollten eben auch mal ein bisschen Spaß haben“.

Fühlen Sie sich denn für die Krawalle mitverantwortlich? Irgendwie schon. Mit Vicky Pollard haben mein Partner Matt Lucas und ich eine Figur entwickelt die für eine bestimmte Generation steht, sie ist in Großbritannien die berühmteste von allen „Little Britain“-Charakteren. So richtig haben wir da nicht drüber nachgedacht. Aber jetzt machen mich manche Leute persönlich dafür verantwortlich, so ein Wesen geschaffen zu haben.

Sie kommen eigentlich vom Fernsehen und Film. Wie könnte man „Mr. Stink“ in einem Film umsetzen? Man bräuchte so eine Art Smell-o-Vision. In England gibt es ein Theaterstück über Mr Stink, das durchs Land tourt. Da bekommt man so Rubbelkarten, an denen man reiben und daran riechen kann. Kinder lieben so was.