Feindbild Mutter?

Der Erzieher

»Eltern sind heute sehr interessiert an ihrem Nachwuchs, insbesondere die Mütter. Sie wollen alles ganz genau wissen. Sie nehmen Kitas als Bildungseinrichtung war und nicht als Bespaßungsstätte, viele haben Ratgeber zum Thema Erziehung gelesen. Ich begrüße das, denn es erleichtert die Arbeit. Wenn Entwicklungsgespräche zum Kind stattfinden, muss man nicht viel erklären. Und an Infoabenden sind wirklich alle Eltern anwesend. Das ist in Kitas mit einer anderen Klientel nicht der Fall. Was ich sehr angenehm finde: dass die Probleme der Familien bei uns nicht wirtschaftlicher Natur sind. So etwas habe ich früher mal erlebt, und es ist wirklich schrecklich. Mit Luxusproblemen kann ich besser umgehen. Nur Sozialneid darf man niemals aufkommen lassen – ich wusste ja vorher, worauf ich mich bei diesem Beruf einlasse und was ich verdienen werde. Wichtig im Alltag ist die Haltung, mit der man einander gegenüber tritt. Früher galten Leute wie ich als Basteltanten, heute wissen die Eltern unsere Arbeit wirklich zu schätzen. Das freut mich, und ich versuche das zurückzugeben. Etwa indem ich mir ihre Anliegen erst mal vorurteilsfrei anhöre. Warum soll ein Kind Sojamilch bekommen statt normaler? Wenn ich von vornherein sagen würde, ich bin hier der Fachmann mit der Ausbildung, käme kein konstruktives Gespräch zustande. Schwierig finde ich an den Latte-Macchiato-Müttern manchmal, dass sie in all ihrer Energie mitunter vergessen, dass ihr Kind eines von 130 in unserer Einrichtung ist. Und dass ich mich nach Feierabend nicht mehr als Erzieher sehe. Dann finde ich es komischerweise auch nervig, dass Mütter mit Dutzenden Kinderwagen ins Café kommen und überall stillen müssen.«

Erzieher in einer Kita aus Mitte, anonym, kinderlos