Berlinopolis

Hauptbahnhof

An dieser Stadt haben sich schon viele versucht: Könige und Kaiser, Nazis, Kanzler und Bürgermeister – immer getrieben von der Sehnsucht nach Größe. Trotzdem ist Berlin bis heute nicht fertig. Überall Baustellen, überall neue Areale. Was wird daraus? Ein Blick auf die Hauptstadt der Zukunft, wenn der Größenwahn gesiegt hat

Der Ort
Lange ein Niemandsland, in zwei Teile geschnitten von der Berliner Mauer, Lagerhallen auf der einen Seite, städtische Wüstenlandschaft auf der anderen. Ein urbaner Nichtort, Jahrzehnte vor sich hinwelkend, bis ihn der Fall der Mauer ins Zentrum der Stadt rückte. Doch die Stadt wusste nur wenig mit ihm anzufangen, bis auf einen Bahnhof, der als gläserner Koloss in die Einöde gebaut wurde. Da liegt er nun, träge hingestreckt und ohne Einbindung an seine Umgebung. Es ist ein Ort, an dem man ankommt – und ihn gleich wieder verlässt.

Der Plan
Debatten und Pläne gab es viele in den vergangenen Jahren, doch seitdem ist viel Wasser die Spree am Humboldthafen hinunter geflossen und wenig passiert. Doch nun steht nördlich des Hauptbahnhofs der Rohbau des Tour Total, und damit das erste sichtbare Zeichen eines neuen Stadtviertels, das mit  40 Hektar doppelt so groß wie der Potsdamer Platz werden soll. In den 69 Meter hohen Tour Total wird 2012 ein französischer Mineralölkonzern ziehen, in den kommenden 15 Jahren sollen in dem Areal entlang der Heidestraße 2.000 Wohnungen und Büros für 10.000 Menschen entstehen.

Der Haken
Die bisherigen Neubauten rund um den  Hauptbahnhof dämpfen die Vorfreude auf zukünftige Projekte erheblich. Der Bahnhofsarchitekt Meinhard von Gerkan spricht nicht zu Unrecht von „primitiver, billiger und ordinärer Architektur“. Auch steht zu befürchten, dass sich die ohnehin vagen Vorgaben für das neue Viertel je nach Haushaltslage ändern werden, was eine kohärente Stadtplanung verhindern dürfte. Womit die Chance vertan wäre, die größte innerstädtische Brachfläche visionär zu gestalten.