Mein Ding!

Lieblingsstücke

Jeder kennt das: Die eine Vase mag man einfach lieber als die anderen. Es muss nicht die teuerste sein oder die, die man am längsten hat. Fünf besondere Berliner über ihre besonderen Lieblingsstücke

Andreas Murkudis und sein Porzellangeschirr

Porzellangeschirr habe ich bis vor einigen Jahren nicht wertgeschätzt. Ich wusste nicht, welche Leistung hinter so einem Produkt stehen kann – und damit fehlte das Interesse. Bis ich eines Tages die Manufaktur Nymphenburg in München besucht habe. Das ist ein Ort, an dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint: die schönen Räume im Schloss, die Gärten drumherum, die alten Brennhöfe. Ich habe gesehen, wie aufwändig das Porzellan hergestellt wird. Und da habe ich gedacht, es wäre schön, zusammen mit der Manufaktur Objekte zu entwickeln. So entstand auch die Edition mit dem Künstler Olaf Nicolai. Er ist kein klassischer Maler oder Videokünstler, er ist Literaturhistoriker, der in die Kunstbranche wechselte und er ist in der Lage, mit allen Medien etwas zu tun: Er ist ein Multitalent.

Über verschiedene Etappen kam die Idee auf, etwas aus schwarzem Porzellan zu machen – das ist selten. Als ich das Endprodukt erstmals in der Hand hielt, war ich begeistert. Das Teeservice kam in einer schönen Holzbox mit silbernen Schnappverschlüssen, innen mit lilafarbenem Stoff ausgeschlagen. Dann sah ich die Kanne. Aufgrund ihrer relativ flachen Form, ist sie keine normale Kanne. Sie ähnelt einem Igel, mit Zacken – das erinnerte mich an die Grottendorfer Sterne, die man zur Weihnachtszeit aufhängt. Man muss die Kanne hinten an einer Spitze anfassen, am besten mit einem handbedruckten Stofftuch, das gibt es zum Objekt dazu. 
Ich gebe zu: Es ist unpraktisch, weder richtiges Kunstwerk noch Gebrauchsprodukt, es ist ein Fetisch zum Hinstellen. Mit diesem Porzellan zelebriert man das Teetrinken. Einen großen Vorteil hat die Edition: In der weißen Kanne hinterlässt der Tee Spuren, in der schwarzen sieht man es nicht. Mir gefällt die ungewöhnliche Form – und dass man sich mit dem Objekt beschäftigen muss. Es lebt davon, dass ich weiß, wie viel Arbeit in der zweijährigen Entwicklung steckt. Ich bin kein Teetrinker, aber das würde ich mir in die Wohnung stellen – einfach weil das Gesamtpaket so schön ist.

Max Herre und sein Ladenschrank

Mein Vater hat in den 70er Jahren einen alten Ladenschrank aus einem Juweliergeschäft für 80 D-Mark erstanden. Das Möbelstück wurde dann erst einmal zu einer Wickelkommode umfunktioniert. Generationen von Kindern sind darauf gewickelt worden. Heute steht der Schrank im Wohnzimmer und dient als Aufbewahrung für Fotos, Elektrogeräte und Unterlagen. Auf der einen Seite befindet sich eine Glas-Vitrine, auf der anderen Seite vier Reihen mit je fünf Schubladen, wobei die obersten mit einem grauen Samtstoff ausgeschlagen sind. Oben drauf liegt eine Glasplatte. Als Kinder haben wir den Samt mit Wachsmalstiften bekritzelt, das habe ich aber vor kurzem sauber gemacht. Seitdem ist der Samt bretthart, aber wieder grau. Ansonsten pflege ich die Kommode nicht besonders, das braucht sie auch gar nicht. Das Holz ist mittelhell, ich glaube es ist Eiche, es ist über die Jahre gealtert und hat eine Patina bekommen. Alle Gläser sind noch heil, obwohl das gute Stück schon diverse Umzüge mitgemacht hat. Oben drauf stehen zwei Bilder des Stuttgarter Malers Walter Wörn, einem Freund meines Großvaters, und eine Obstschale, die ich auf dem Flohmarkt am Schöneberger Rathaus gekauft habe. Einrichtung macht mir Spaß, wahrscheinlich liegt es daran, dass mein Großvater Innenarchitekt war und mein Vater und Bruder Architekten sind. Aber ich habe kein Design-Dogma. Ich habe einfach gerne schöne Dinge um mich.

Fabian Johow und seine Keramik-Vase

Ich finde, Vasen müssen etwas Vulgäres und Organisches haben, schließlich geht es um Blumen, Wasser, Natur. Da passt keine minimalistische Gestaltung. Deshalb gefiel mir diese sofort, als ich sie vor fünf Jahren in einem Designladen an der Neuen Schönhauser Straße entdeckte. Sie hat eine runde, beinahe weibliche Form, ist aus Glas gefertigt, sieht aber wie eine Keramikvase aus, ähnlich einem ägyptischem Wassertrog. Dank des fast architektonischen Farbschnittes, dem schrägen Anschnitt zwischen Schwarz und Grün, besaß sie gleichzeitig etwas Modernes. Und sie war ein Einzelstück. Dadurch bekam ich ein gutes Gefühl: Aha, ich kaufe mir gerade ein handgemachtes Unikat.

Aufgrund der runden Form ist die Nutzung nicht vorbestimmt wie bei einer breiten viereckigen Vase – die muss auf dem Boden stehen oder einem breiten Sideboard. Diese kann ich in die Mitte eines Raumes stellen oder auf ein Sideboard, das sieht immer schön aus. Die Öffnung ist relativ klein, breite Gestecke passen nicht hinein, daher achte ich darauf, langstielige Pflanzen zu kaufen. Am besten ist die Calla, eine exotische Blume mit einer schmalen weißen Trompetenblüte – oder ganz puristisch Gräser und Äste. Was ich an der Vase mag: Sie verändert sich ständig, wenn ich neue Blumen kaufe oder sie neu in der Wohnung platziere. Mal stelle ich sie auf den Boden im Wohnzimmer, mal auf das Fensterbrett im Schlafzimmer. Über andere Gegenstände ärgere ich mich manchmal, selbst wenn ich sie schön finde – zum Beispiel dass meine Couch einen empfindlichen Bezug hat. Aber diese Vase, sie hat mich einfach noch nie enttäuscht.

Grit Seymour und ihre Küchenlampe

Ein nordisches Prinzip besagt, dass eine Lampe nicht zu hoch hängen sollte, weil sonst das Licht ungemütlich wirkt. Das stimmt. Ein Raum bekommt mehr Atmosphäre, wenn die Lichtquelle tiefer hängt. Wir haben eine Küchenlampe, die wir am Ende eines Thailand-Urlaubs in Bangkok gekauft haben. Sie hängt so tief über dem Tisch, dass meine kleine Tochter damit spielen kann. Sie ist schlicht, fällt aber jedem Besucher sofort auf: Das Holz ist dunkel, geschichtet und wie eine Spirale geschnitten. Die Lampe zieht sich selbst in Form und bewegt sich wie eine Feder mit den Luftströmen. Das Besondere war der Tag, an dem wir sie gekauft haben: Es war während der Unruhen, kurz vor den Polizeieinsätzen. Wir sind mit der Lampe unter dem Arm zwischen den demonstrierenden Thais gelaufen, haben sie sozusagen zwischen den Kämpfen hindurch getragen. Die Straßen waren voller Menschen. Es war sehr emotional, beinahe wie eine Massenhysterie.

Anna-Catharina Gebbers und ihre Skulptur

Mein Lieblingsding ist eine Beton-Skulptur von der Künstlerin Isa Melsheimer. Den dreiteiligen Pflanzkübel habe ich in meiner Bibliothekswohnung in der Ausstellung „Concrete Society“ gezeigt – einem gemeinsamen Projekt von Isa Melsheimer und dem Architekten Arno Brandlhuber, der auch das spektakuläre Galerie- und Atelierhaus in der Brunnenstraße 9 gebaut hat. Der Kübel sieht wie ein architektonisches Modell aus, tatsächlich ist er eine Skulptur. Gäbe es noch mehr Elemente, dann könnte man sie so anordnen, dass sie einen Kreis bilden. Ich mag das Changieren zwischen Kunst und Alltag, zwischen Austellungsexponat und Wohnungsgegenstand. Dabei wirbelt Melsheimers Objekt die Maßstäblichkeit durcheinander: Wenn man sich auf den Boden legt, hat man das Gefühl, man schaut in eine Stadt hinein. Dieses Ding symbolisiert auch die Quintessenz der Veranstaltungen in der Bibliothekswohnung: Kunst- und Kulturproduzenten wie Besucher setzen sich hier mit dem Raum, seiner Umgebung sowie der Raumproduktion auseinander und loten aus, was privat und was öffentlich ist. Diese Diskussionen sollen anregend sein, aber nicht dogmatisch – genau deshalb mag ich den intelligenten Humor von Isa Melsheimer und Arno Brandlhuber.

Diese Geschichte ist auch im zitty Design Buch erschienen. Darin porträtieren wir auf 196 Seiten die Design-Szene der Stadt. Zum Beispiel gewähren wir Einblicke in die aufregendsten Wohnungen, zeigen die schönsten Berliner Designer-Stücke, und die Graft-Architekten stellen ihr exklusiv für zitty entworfenes Berlin-Möbel vor. Das Buch wurde gestaltet vom Bureau Mario Lombardo, ist zweisprachig in deutsch und englisch und kostet 12,50 Euro.