Was mich beschäftigt:

Mit La Bettolab verschwindet der nächste Freiraum

Mein erstes Mal im La Bettolab weiß ich noch genau: Es muss vergangenes Jahr gewesen sein, da gab es direkt vor dem Eingang ein Baugerüst. Mit einer riesigen weißen Plane verhangen. Pech für so einen kleinen Laden. Doch was machten die Inhaber? Sie projizierten einen Film auf die so entstandene Leinwand. Zu sehen waren Passanten, wie in einer parallelen Realität, mit der sich die Betreiber ihre Laufkundschaft in Neukölln einfach selbst erschufen. Willkommen im La Bettolab.

Improvisationstalent, Ausdauer und Idealismus – diese Mischung bringt das Besondere hervor in dem Berlin, das alle lieben. Doch es sind genau diese Eigenschaften, die mehr und mehr herausgefordert werden, wenn es wieder einem dieser Läden an die Gurgel geht, wie jetzt dem La Bettolab. Oft kommen diese Orte nur zustande unter Zuhilfenahme von Scheuklappen, was die ungewisse Zukunft betrifft. Wäre der Blick auf die Zukunft realistischer, blieben die meisten tollen Projekte bloß Hirngespinste. Die Stadt sollte aufpassen, wie sie ihre Kreativen behandelt. Sie werden gehen, wenn ihnen die Scheuklappen zu lästig werden.

Auf den ersten Blick ist das La Bettolab Café-Bar, auf den zweiten noch viel mehr: Performance-Raum, Galerie und Kieztreffpunkt. Ein Besuch ist nie gewöhnlich, eher wie eine Zeremonie. Weil die Räume sich ständig wandeln, weil meistens irgendwer eine kleine Performance macht. Auch weil hier inmitten cooler Künstleratmosphäre eine Intimität da ist, die sich auf alle Gäste erstreckt. Kein Wunder, dass im vergangenen Jahr drei meiner Freunde hier ihren Geburtstag gefeiert haben. Mit mir sind es vier.

In dieser Rubrik stellen sich ZITTY-­Autoren große und kleine ­Gewissensfragen. Dieses Mal: Franziska Felber
Foto: Foto: Laura von Berswordt

Laut Betreiber Emanuele Femia bekam er keine zwei Wochen vorher das Kündigungsschreiben, bevor in der zweiten Oktoberwoche Schluss sein sollte. Der Mietvertrag, der in der Neuköllner Okerstraße Nummer 43 Café und Galerie vorsieht, lasse die „lebendige Installation“, wie Emanuele das La Bettolab nennt, nicht zu. Vor allem störe es die Nachbarn. Als Protest rief er zur Soli-Parade durch den Schillerkiez auf.

Selbst das Essen bei den im Betto-Sprech „kulinarischen Events“ ist fantastisch, zu moderaten Preisen. Wer der Atmosphäre auf den Grund gehen möchte und sich umguckt, wird vielleicht einen kleinen Altar im Eck entdecken, eine zum Bilderrahmen umfunktionierte Klobrille oder dass es sich bei der Deko über der Bar um Damenstrümpfe handelt – und schon beim nächsten Besuch kann alles wieder verschwunden sein.

In einem dieser Strümpfe befestige ich bei einem Besuch einen Deko-Stern, den ich in meiner Hosentasche gefunden habe. „Der zieht jetzt weiter“, sage ich zu meiner Freundin und zu Emanuele, der hinter der Bar steht. „Um Loslassen geht es bei meinen Gästen in letzter Zeit häufig“, sagt der dazu. Da ist jemand, der wirklich zuhört.

Als das La Bettolab den zweiten Geburtstag feierte, sagte eine Musikerin, das nächste Lied werde manchmal traurig, manchmal fröhlich. Das bestimmten vor allem die Gäste. Was es am Ende war, kann ich gar nicht sagen. Vor allem ist mir in Erinnerung geblieben, dass beim Applaus sogar der anwesende Hund mitjaulte. Diesen Ort will man so schnell nicht verlassen – da helfen auch die letzten Runden selbstgemachten Grappas aus Italien nicht, auch wenn noch so viele Geschmacksrichtungen von Heu über Brennnessel zu Wilder Erdbeere warten.

Dieses Berlin lässt sich nicht verkaufen, auch nicht zu Höchstpreisen vermieten. Eher verschwindet es. Mir scheint, als sollten die Vermieter einmal einen Abend im La Bettolab verbringen. Dann würden sie schon im richtigen Film landen.

La Bettolab
Okerstraße 43, 12049 Berlin
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