So sieht’s aus

Stilistisch betrachtet: auf den Dackel gekommen

Vor kurzem war ich in Bayern. Ich bin dort aufgewachsen. Früher fand ich es sehr langweilig da. Heute vermisse ich vor allem die drei großen B: Berge, Bier und Brezn. Ein weiteres Indiz für die Heimatverbundenheit: Seit längerem träume ich von einem Dackel. Erika soll meine Dackeldame heißen. Erika darf keinesfalls glatt sein, sie muss struppiges Fell haben, das so wirr absteht wie meine Haare. Nun erfüllt der deutsche Dachshund ja alles andere als Modelmaße: die Beine viel zu kurz, der Bauch leicht gewölbt und dann erst diese lange Nase. Auf so einen Hund schaut man herab. Graziler sind die Windhunde mit ihren Steckenbeinen und dem scheuen Blick, sozusagen die Christy Turlingtons der Hunde-Modelle. Kein Wunder, dass sie in letzter Zeit vermehrt durch Berlins Akademiker-Kieze spazieren.

Aber auch der Dackel taucht dort zunehmend auf, und räumt das Feld von unten auf. Weniger in der Struppi-Version, wie sie einem in Süddeutschland begegnet, sondern als kleiner Kurzhaar­dackel. Man sichtet diese zum Beispiel am Spielplatz an der Alten Schönhauser Straße, wo meist Weimaraner und Französische Bulldogen miteinander toben. Auch das „ZEITmagazin“ zeigte unter dem Titel „Bei Fuß“ vor zwei Jahren Männerschuhmode neben allerlei Zucht-Dackeln. Hingegen erzählt der „Tagesspiegel“ in der Kolumne „Adel berichtet“ von einem Teckel names Taxi.

Handelt es sich beim Dackel wieder einmal um ein Kuriosum, das zum Trend mutierte? Nicht die Spur! Der deutsche Dackel blickt auf einige historisch wertvolle, gar internationale Bündnisse zurück. Der größenwahnsinnige Napoleon besaß gleich mehrere Dackel. John Wayne liebte seinen Charlie genauso sehr wie seinen Cowboyhut. Und Andy Warhol standen seine beiden Dachshunde Archie und Amos ebenso Modell, wie Stanley und Boogie für ihren Besitzer David Hockney posierten.

Dabei ist der Dackel nicht jedermanns Freund, was wohl an seinem Riesen-Selbstbewusstsein liegt, das sich durch grundloses Kläffen und absolute Ignoranz gegenüber Hundekollegen äußert. Einmal allein gelassen, sieht die Wohnung hinterher nicht selten aus, wie Andy Warhols Factory nach einer langen Party. Ein Dackel ist eben ein echter Charakterhund. Der ordnet sich nicht wirklich unter.

Doch damit kann ich umgehen. So sehe ich mich schon, wie ich mit Erika, eher Bette Midler als Christy Turlington, ausgestattet mit FCB-Halstuch und Enzian-Halsband, durch Mitte flaniere – auf Schnäppchenjagd.