Fotografie

Wahre Oben-Ohne-Models

Eine Fotografieausstellung zeigt Aktaufnahmen von 19 Frauen mit demselben Schicksal: Brustkrebs. Die Initiatorin Uta Melle, 41, über den Hintergrund des Projekts.

Als die Diagnose vor zwei Jahren kam, war für mich klar: Beide Brüste müssen ab. Nur wusste ich nicht, ob ich einen Wiederaufbau will. Also machte ich ein erstes Fotoshooting. Im Grunde bin ich das erste wahre Oben-Ohne-Model.
So wollte ich herausfinden, wie wichtig Brüste überhaupt sind. Welche Gründe es gibt, sie aufzubauen. Inwieweit schreibt die Gesellschaft uns vor, normal auszusehen? Wenn man der Norm nicht entspricht, kann man den schrägen Blicken standhalten? Und: Bin ich auch ohne Brüste sexy?
Dann sah ich die Bilder und fand mich extrem schön. Ich dachte: Von den Brüsten hängt es nicht ab. Auch nicht von den Haaren oder der Figur. Es sind die Augen, der Gesichtsausdruck, die Lebenseinstellung. Mir wurde klar: Das gesellschaftliche Schönheitsempfinden gilt für mich nicht mehr.
Ein weiterer Punkt war der Sex. Das musste mein Partner beantworten. Ich gab ihm die Fotos und sagte: Entscheide dich. Wenig später kam er mit einem selbst gemalten Bild von einer Amazone, auf dem stand „Wahrheit, Klarheit, Schönheit“. Amazonen sind ein der griechischen Mythologie entsprungender Volksstamm. Das kriegerische, rein weibliche Volk war dafür bekannt, sich die rechte Brust zu amputieren, um besser mit Bogen und Speer umgehen zu können. Damit war seine Antwort klar: Wir brauchen das nicht. Und wir hatten den späteren Ausstellungstitel: Amazonen.
Ich beschloss, die Fotos im Internet zu veröffentlichen und stieß auf ein immenses Interesse. In Foren wurde über die Bilder diskutiert. Man lobte meinen Mut. Da in Deutschland jährlich ungefähr 60.000 Frauen an Brustkrebs erkranken, wollte ich die verschiedenen Gesichter der Krankheit und der Patientinnen zeigen. Denn ich bin keine Repräsentantin der Krankheit. Ich habe eine gute Figur, ich sehe ganz gut aus. Also suchte ich in ganz Deutschland und fand 19 Frauen mit derselben Diagnose. Als wir uns trafen, waren wir innerhalb von Minuten eine Einheit. Es entstand eine Energie zwischen uns, von der ich niemals geglaubt hätte, dass eine Kamera sie einfangen kann.

Details. Bis 1.9., Stilwerk, Kantstr. 17, Charlottenburg, S Savignyplatz, Mo-Sa 10-19 Uhr, www.stilwerk.de