Wieder was gelernt

Befremden

Kai Röger macht sich Sorgen. Als zum Beispiel seine Frau und er an einer Baustelle vorbeifuhren, sagte sie zu ihm: „Guck mal! Bagger!“ An einem Bauernhof zeigte er ihr mit dem Finger: „Pferd!“

Allmählich mache ich mir Sorgen. Nicht um den Kleinen Prinzen, dem geht es gut und seine Entwicklung liegt im Plan. Sogar das mit dem Töpfchen bekommt er mit seinen kaum drei Jahren inzwischen hin. Er hat eins mit Motorradgriffen und Rallystreifen. Das funktioniert wie auf der Überholspur. Nein, ich mache mir Sorgen um meine Frau und mich und das, was aus uns geworden ist: Zum Beispiel, wenn der Kleine Prinz von seinem Plaste-Chopper absteigt, die Arme hochreißt und stolz „Kacka!“ ruft, dann reißen auch wir die Arme nach oben und rufen: „Kacka! Toll! Toll! Toll!“
Ganz schlimm finde ich auch, dass wir begonnen ­haben, in der dritten Person von uns zu sprechen: Morgens sage ich: „Papa geht arbeiten.“ Und meine Frau sagt „Dann ist Mama traurig“ und lässt sich vom Kleinen Prinzen trösten. „Voll bescheuert!“, denkt sich meine letzte Selbstachtung, bevor es sich mit „Los! Gruppenkuscheln!“ auf komplett verabschiedet.

Das wäre ja alles noch irgendwie zu ertragen, wenn wir unsere infantilen Regressionen – so nennt man in der Medizin das Verhalten von um den Bi-Ba-Butzemann tanzenden Großstädtern – nur in Gesellschaft des Kleinen Prinzen haben würden. Inzwischen zeigen sich eindeutig pathologische Symptome, selbst wenn er nicht dabei ist.
Als zum Beispiel meine Frau und ich an einer Baustelle vorbeifuhren, sagte sie zu mir: „Guck mal! Bagger!“ An einem Bauernhof zeigte ich ihr mit dem Finger: „Pferd!“
Richtig peinlich wurde es, als ich mich neulich mit einem anderen Autofahrer gestritten habe. Wir tauschten die üblichen Feindseligkeiten aus, bis mir nichts Gemeineres mehr einfiel, als ihn „Du Wurst!“ zu nennen. Da musste er grinsen. Ich hatte verloren.
Mit vor Scham geröteten Wangen fuhr ich zur Tanke und kaufte mir eine Capri-Sonne. Auch dafür hasste ich mich. kai röger