»Ist das 80er oder 80er-Revival?«

Adelheid Rasche

Die Ausstellung „Visions of Fashion“ zeigt Modebilder der letzten 30 Jahre. zitty sprach mit der Kuratorin und Direktorin der Lipperheideschen Kostümbibliothek Adelheid Rasche

Der Untertitel der Ausstellung, „Bilder der Mode 1980-2010“, das klingt nach einer sehr unüberschaubaren Aufgabe. War es das?
Es war von Anfang an klar, dass es kein Überblick werden kann – dafür ist das Thema viel zu groß – sondern eine Selektion. Es ging mir darum, besondere Positionen zu zeigen, das Augenmerk auf Ungewöhnliches zu legen, auf Bilder, die man noch nicht gesehen hat oder solche, die dem kollektiven Bildgedächtnis schon wieder entglitten sind.

Zum Beispiel?
Zum Beispiel dieses schöne Bild, das Helmut Newton von Valentino gemacht hat, als sein Geschäftspartner an einem Fernseher steht, auf dem gerade ein Beitrag über ihn läuft – da lohnt es sich, ganz tief ins Archiv zu greifen.
Man verbindet mit Newton ja immer die „Big Nudes“ … Die übrigens als redaktioneller Beitrag für die „Vogue“ entstanden und auch in der Ausstellung zu sehen sind. Aber eben nicht riesig aufgezogen, sondern im Original. Oder die Bilder der Berliner Modegrafikerin Carola Seppeler, die noch nie ausgestellt wurden.

Stammen die Bilder alle aus eigenem Bestand?
Die meisten ja, aber es sind auch einige Leihgaben dabei. Ich war in Paris und in London, habe Künstler getroffen, bin in Ateliers gegangen. Es hat mich gefreut, wie viel Unterstützung ich bekommen habe. Der Maler Ruben Alterio beispielsweise, der schon lange keine Modeillustrationen mehr macht, hat seine alten Werke für mich herausgesucht.

Ist ein echter Coup dabei, etwas, worauf Sie besonders stolz sind?
Es sind so viele Coups, dass ich keinen hervorheben könnte. Besonders gefreut hat mich die Großzügigkeit vieler Fotografen wie Sarah Moon, Mel Bles oder Felix Lammers, die uns Werke nicht nur zur Verfügung gestellt, sondern gleich geschenkt haben. Wir haben ja kaum mehr Erwerbungsmittel für die grafische Sammlung.

Wie entscheiden Sie überhaupt, was in die Sammlung gehört? Was ist ein gutes Modebild?
Das hängt natürlich davon ab, was man von einem Bild erwartet. Eine Journalistin, die bestimmte Trends zeigen will, braucht etwas anderes als ich.
Was brauchen Sie? Ich wünsche mir Bilder, die etwas Neues bringen, einen Bildaufbau, bei dem ich nicht sofort sage: Okay, das hat Peter Lindbergh auch schon gemacht. Offensichtliche Zitate sind für mich ein absolutes No Go.

Ist zeitlicher Abstand nötig, um die Bedeutung eines Bildes zu beurteilen?
Der Abstand macht es sicher leichter. Aber die Abstände werden immer kürzer, dieser Retro-Eindruck entsteht schneller. Manchmal fragt man sich: Ist das jetzt echt 80er oder 80er-Revival oder ist es einfach nur Zufall? Das erschwert die Sache, aber genau das ist unsere Aufgabe im Museum, den Abstand so weit zu finden, dass man sagen kann: Das ist etwas, das bleiben wird.

Locken Sie mit dem Thema Mode ein Publikum, das sonst eher nicht in Museen geht?
Ja, es gibt eine dicke Sahneschicht von absoluten Modefans, die kommen zu jeder Modeausstellung. Dazu beigetragen haben die beiden sehr großen Ausstellungen vor sechs, respektive fünf Jahren, „Coats! Max Mara, 55 Jahre Mode aus Italien! “ und „Christian Dior und Deutschland“. Das waren zwei Block- buster, die deutlich gemacht haben: Hier geht es um international relevante Modeausstellungen.

Müssen Sie eigentlich das Thema „Mode im Museum“ rechtfertigen?
Nein, die Sammlung Modebild – Lipperheidesche Kostümbibliothek gibt es seit 111 Jahren, wir brauchen uns nicht mehr zu rechtfertigen. Die Kollegen vom Kunstgewerbemuseum, die Kleider ausstellen haben es da schwerer, auch weil die Präsentationen sehr viel aufwändiger sind.
Mode als Kulturgut gilt in Deutschland als zu wenig anerkannt. Das würde ich bestätigen. Obwohl sich in den letzten Jahren viel verändert hat. Mode ist ein viel breiter angelegtes Thema heute, es passiert viel mehr. Sei es die Fashion Week, sei es ein zitty Modebuch – das würden Sie ja nicht machen, wenn es nicht ein Thema wäre. Aber in der Museumslandschaft spiegelt sich das leider nicht wider. 

Ist das in anderen Ländern anders?
Ja, in Spanien hat beispielsweise gerade ein Balenciaga-Museum eröffnet, in Getaria, der Geburtsstadt  des Modeschöpfers.

Gibt es denn dort mehr Geld?
Da läuft viel über private Sponsoren, das ist leider ein Bereich, der uns weitgehend fehlt. Selbst die vielen Damen der Society, die die besten Designerstücke tragen, kommen nicht häufig auf die Idee, einem Museum Kleidungsstücke zu spenden. In London freut sich dagegen jeder, wenn er dem Victoria&Albert-Museum ein Kleid spenden darf.

Im Vergleich mit anderen Kulturbereichen, was macht der Reiz der Mode aus?
Mode zu sehen bringt viele Besucher auf sehr persönliche Reflektionsebenen, es findet eine stärkere Identifikation statt als beispielsweise bei reinen Gemäldeausstellungen. Es geht ja um Dinge, die uns täglich umgeben. Diese im Museum zu sehen, sich zu fragen, warum sie da sind, das weckt bei den Betrachtern neue Fragen, ermöglicht einen neuen Blick. Ein T-Shirt oder eine Jeans bekommen im Museumskontext eine andere Bedeutung, vielleicht stehen sie für Jugendkultur, vielleicht stehen sie für die Nutzung von historischem Arbeitermaterial. Es ist dieser neue Blick, der etwas interessant macht.