Kiezleben

Berlin baut – neue Visionen für neuen Wohnraum

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Wohnraum in Berlin ist knapp und teuer. Trotzdem stehen die Mietpreise im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen noch ganz gut da. Dennoch sind steigende Mieten und die hohe Nachfrage nach Wohnraum in Berlin kaum von der Hand zu weisen. Ob sich durch die vom Berliner Senat durchgewunkene Mietpreisbremse etwas daran ändern wird, ist fraglich. Bauland liegt brach, weil Spekulanten trotz Baugenehmigung nicht bauen und städtische Wohnungsbaugesellschaften ebenso trotz zugeteilter Grundstücke mit dem Baubeginn auf sich warten lassen – die Gründe sind vielfältig. Die Folge: Es werden weniger Neuanträge genehmigt. Wären die geplanten Wohnungen bereits bezugsfertig, würde sich der Wohnungsmarkt deutlich entspannen.  

Davon abgesehen kann Berlin dennoch mit einigen Bauprojekten aufwarten, die sich zumindest zum Teil schon sehen lassen können. Sprich: Vieles ist zwar noch nicht fertig bzw. erst in der Planung, aber es geht voran. Einige Beispiele:

Zukunftsquartier Neulichterfelde: 2500 Wohnungen für 6000 Menschen

Hier scheint einfach alles zu stimmen: Sozialer Wohnraum entsteht neben Miet- und Eigentumswohnungen sowie Reihenhäusern, dazu drei Kitas, eine Grundschule mit Sporthalle, Büro und Gewerbeflächen, und hinzu kommt noch ein Mobilitätskonzept mit Vorbildcharakter, das Fahrzeuge mit klimafreundlichem Antrieb fördert und Shuttles zum nahegelegenen S-Bahnhof Lichterfelde anbietet. Doch auch der Arten- und Denkmalschutz spielen eine Rolle, denn das Bauland besteht vorwiegend aus Weideland, für das sich der BUND eingesetzt hat, und auch das Landesdenkmalamt meldete sich zu Wort, als es darum ging, was mit den noch existierenden Baracken eines ehemaligen Kriegsgefangenenlagers passieren soll. Aber auch diese Probleme konnten gelöst werden. Der BUND zeigt sich zufrieden, denn große Flächen der Lichterfelder Weidelandschaft soll erhalten werden, da Abstriche bei der Bebauungsfläche gemacht wurden. So verbleiben mehr als die Hälfte der Fläche als „Grüne Mitte“. Auch zwei der Baracken des ehemaligen Gefangenenlagers sollen bleiben, eine, die als Ausstellungsfläche dienen, und die andere, die als Jugendfreizeitstätte genutzt werden soll.

Eine gute Infrastruktur gepaart mit ökologischen Ansätzen gehören zum Konzept des Zukunftsquartiers. Neben Kitas und Grundschule sieht das Mobilitätskonzept vor, die Bewohner zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen und ihnen nahezulegen, möglichst wenig Autos mit Verbrennungsmotoren im Viertel zu nutzen. Dies soll zum einen mit einem Shuttle-Service erreicht werden, der die Bewohner zum S-Bahnhof Lichterfelde Süd hin- und zurück bringt, zum anderen sollen die Bewohner dazu bewegt werden, Fahrzeuge mit klimaneutralem Antrieb zu nutzen.

Klimafreundlichkeit in Bezug auf das Mobilitätskonzept ist aber nur eine Sache, denn auch die Energiegewinnung für die Gebäude soll klimaschonend umgesetzt werden. Dazu gehören Sonnenkollektoren und Blockheizkraftwerke, die von Solarthermen unterstützt werden sollen. Insofern werden die künftigen Bewohner des Viertels nicht nur ressourcenschonend wohnen, sondern auch nach neuesten technischen Standards. Das bedeutet, dass die künftigen Bewohner von modernster Heiztechnik, aber auch im Bereich der Elektroinstallation von den neuesten Bestimmungen profitieren werden.

Insgesamt 2500 Wohnungen sollen entstehen, davon 540 Sozialwohnungen, etwa 1500 Mietwohnungen und 420 Reihenhäuser. Das Investitionsvolumen beträgt etwa 900 Millionen Euro und ist damit eines der größten Neubauprojekte in ganz Berlin.

Bürgerstadt Buch – kein Buch mit sieben Siegeln

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Bürger in Bauprojekte einbeziehen möchte man im Berliner Nordosten. Das Areal nahe der Autobahnausfahrt Bucher Straße vor der A 114 bietet Raum für sage und schreibe 100.000 Einwohner.  Die „Bürgerstadt Buch“ würde über 700 Hektar umfassen, bis zu 40.000 Wohnungen könnten hier entstehen, die vorwiegend von sozial orientierten Unternehmen und Genossenschaften gebaut werden könnten. Die Fläche gehört vorwiegend dem Land Berlin, und wenn der Senat mitspielt, könnte hier in drei bis vier Jahren die Bürgerstadt entstehen. Die Initiative „Bürgerstadt Buch“, die aus Wohnungsbauexperten, Architekten und Planern besteht, sieht in der sozialen Ausrichtung künftiger Projektpartner die Chance, dass sich Baugruppen zusammenfinden und direkt an der Entstehung der Bürgerstadt beteiligt werden. Auch in Bezug auf die Infrastruktur sehen die Initiatoren gute Möglichkeiten. Insbesondere verkehrstechnisch liegt das Areal sehr günstig in der Nähe der Autobahnanschlussstelle, und auch ein Bahnsteig für einen künftigen Bahnhof ist bereits vorhanden. Die gute Verkehrsanbindung und der vorbereitete Bahnsteig kommen nicht von ungefähr, denn bereits zu DDR-Zeiten war hier ein Baugebiet geplant, über das nach der Wiedervereinigung wiederholt nachgedacht, jedoch 2002 wegen sinkender Bevölkerungszahlen im ehemaligen DDR-Gebiet gecancelt wurde. Jetzt wäre es jedoch an der Zeit, angesichts des hohen Bedarfs an Wohnraum das Vorhaben wieder aufleben zu lassen.

Mieten unter zehn Euro

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Sozialer Wohnungsbau ist zwar in Berlin kein Fremdwort, jedoch gab es bislang zu wenig Wohnraum dieser Art. Das soll sich ändern. Die landeseigenen Wohnungsbauunternehmen Berlins wollen zahlreiche Wohnungen nicht nur für Berechtigte mit WBS bereitstellen, die unter 10 Euro pro Quadratmeter im Monat kosten. Sozialwohnungen soll es bereits für 6,50 Euro pro Quadratmeter geben. In Treptow-Köpenick können WBS-Berechtigte bereits in die drei neu errichteten Wohngebäude in der Rudower Straße sowie in eine von über 100 Wohnungen in der Mahlower Straße einziehen – zu Mietpreisen zwischen 6,50 und 8 Euro.
Im Bohnsdorfer Weg können frei vermietete Wohnungen unter 10 Euro pro Quadratmeter bezogen werden. In der Luisen-/Wendenschlossstraße sind über 170 Wohnungen ab 6,50 Euro pro Quadratmeter zu haben.
In der Fürstenwalder Allee werden Ende des Jahres über 200 Wohnungen bei einem Mietpreis bis etwa 11 Euro bezugsfertig.

In Lichtenberg werden in der Gensler- und Goeckestraße rund 450 Wohnungen vermietet, einige davon sind Anfang des kommenden Jahres bezugsfertig. Die Mietpreise liegen hier zwischen 6,50 und 11 Euro pro Quadratmeter. An der Frankfurter Allee gibt es nochmal über 100 Wohnungen im Angebot, die zwischen 6,50 und 8 Euro kosten und im Januar fertig sein sollen.

Die Altglienicker Höfe im Südosten Berlins bieten mit über 400 Wohnungen ebenfalls günstigen Wohnraum, der zu etwa einem Viertel gefördert wurde. Es dürften dort aber kaum noch freie Wohnungen zu bekommen sein, kein Wunder bei einem Preis von 6,50 Euro pro Quadratmeter.

In Adlershof entstehen knapp Wohnungen in der Otto-Franke-Straße, die vom Land gefördert wurden. Neben den Sozialwohnungen für 6,50 Euro pro Quadratmeter sind auch frei vermietete Wohnungen für bis zu 11 Euro je Quadratmeter zu haben. Noch kann man sich auf die Wohnungen bewerben, die im April kommenden Jahres bezugsfertig werden sollen. 

In Pankow entstehen derzeit knapp 60 neue Wohnungen, in Reinickendorf weitere 25, für die man sich leider nicht mehr bewerben kann. Jedoch sind die nächsten Neubauprojekte bereits am Start und sollen im Februar 2020 fertig sein. In Hellersdorf entstehen gerade mehr als 50 Wohnungen, von denen etwa zwei Drittel für unter zehn Euro je Quadratmeter frei vermietet werden.

In Marzahn-Hellersdorf werden im Forster-Karee noch in diesem Jahr über 300 Wohnungen bezugsfertig, die Hälfte davon Sozialwohnungen. Im kommenden Jahr kommen nochmal 165 weitere Wohnungen in der Schkeuditzer Straße hinzu, ebenfalls etwa 50% davon werden vom Land gefördert und sind für 6,50 Euro Miete pro Quadratmeter zu haben. Registrieren können sich Interessierte bereits jetzt.

2020 kommen noch zahlreiche weitere bezugsfertige Wohnungen hinzu, 1200 entstehen im nordöstlichen Falkenberg, von denen bereits 110 bezugsfertig sind. Die Reihen- und Mehrfamilienhäuser sind für einen Quadratmeterpreis von 9,90 Euro zu haben, einige davon werden auch gefördert und können ab 6 Euro pro Quadratmeter angemietet werden. Anfang des Jahres sollen weitere 115 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern dazu kommen.

Dass Berlin baut, ist damit zwar bewiesen, aber obwohl die aufgezählten Beispiele einen Trend in Richtung mehr bezahlbaren Wohnraum für alle signalisieren, wird sich herausstellen, ob die Zahl der Neubauten ausreicht, um den Bedarf in der Hauptstadt zu decken. Die Frage ist aber auch, ob der Mietendeckel dazu beiträgt, dass neuer bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird, oder ob die Regulierung keine geeignete Maßnahme ist, den Wohnungsmarkt wirkungsvoll zu entspannen.