Oh my dog!

Heimtierbedarf

Der Heimtierbedarf ist ein sehr lukratives Geschäft.
Ein Besuch in den Fachgeschäften zeigt, warum das so ist

Die Frau, die Dirk Friedrich später mit Paris Hilton vergleichen wird, schaut auf ihren winzigen Hund hinunter und kichert. Der Welpe dreht sich im Kreis, strampelt mit den Pfoten, rutscht auf den Fliesen ab, strampelt, rutscht, und sieht aus, als würde er versuchen, sich in den eigenen Schwanz zu beißen. Ein kreisendes Knäuel. An seinen Pfoten steckt die Ursache der Aufregung: helle Hundebabyschuhe.

Dirk Friedrich, kariertes Hemd, Jeans, begutachtet die Sache eine Weile, dann sagt er: „You must train with him.“ Die junge Frau kichert. Der Hund tappst durch den Laden, vorbei an den T-Shirts, den Keksen, rüber zu den Halsbändern, einige pink, manche glitzernd. Er rutscht immer wieder weg. „You must train with him“, sagt Dirk Friedrich. „Then it’s not so bad.“

Im Doggie Design Store in Charlottenburg lässt sich an diesem Nachmittag im August besichtigen, was der Berliner Hund derzeit trägt. Die junge Russin hat ihrem ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift „Rock mind forever“ überziehen lassen. Dazu die hellen Sandalen. Beim Parfüm muss sie überlegen. Friedrich reibt ihrem Welpen ein wenig „Oh my dog“, kreiert von Bernard Ellena, ins Fell und sprüht sich selbst eine Portion „Dog Generation“ auf die Hand. „Not in the face“, warnt Friedrich noch. „Of course“, sagt die Frau. „The penis not“, sagt er. Dann gehen sie zur Kasse.

 

Paris Hiltons aus dem Ostblock

82,80 Euro macht das. Die Frau kramt in ihrem Bauchgurt. Hinter Friedrich, unter dem breitflächigen Bild mit dem Riesenhundegesicht inklusive rosa Schleife, wird seine Pizza immer kälter. Es ist einiges los. Die nächste Kundin wartet schon.

„Der Haustiermarkt wächst ständig“, sagt Dirk Friedrich. Laut dem Industrieverband Heimtierbedarf gibt es in Deutschland 5,3 Millionen Hunde. Der Markt für Hunde-Bedarfsartikel mit seinen 155 Millionen Euro Umsatz sei im vergangenen Jahr um 3,3 Prozent gewachsen. Längst ist der Hund nicht mehr nur ein treuer Begleiter beim morgendlichen Gassigehen. Er ist auch ein Modeaccessoire, das Schauspieler, Models oder andere Prominente gern auf Hochglanzfotos hochhalten. Er wird gedresst, gestriegelt, besprüht, verhätschelt, vermenschelt. Er trägt Strass-Diamanten, Designerdüfte und schleckt sein „Organic Dog Dinner“ mit „Beef, Rice and Carrots“ aus der feinen Porzellanschale.

Weil das so ist, steht Dirk Friedrich seit dem Herbst 2010 in dem Laden und berät die unterschiedlichsten Typen von Hundebesitzern, und vor allem, ja, -besitzerinnen. Das russische Fräulein, das den Hund samt Sandalen wieder in die Tasche gepackt und sich freundlich verabschiedet hat, sei schon fast eine dieser „Paris Hiltons aus dem Ostblock“, sagt Friedrich. Er meint das nicht böse, er ist nur direkt. Sie sind wohlhabend, haben oft einen reichen Mann dabei, stöckeln über die Fliesen, von Hundeparfüm zu Hundetasche, und lassen 300 bis 500 Euro im Laden, ohne nach dem Preis zu fragen. Das toppen eigentlich nur noch die Touristen aus Dubai. Auch die kommen ab und an.

Man muss nur der Uhlandstraße folgen, vom Doggie Design Store aus, bis man bei Koko von Knebel ankommt, direkt neben dem Frisörgeschäft  von Udo Walz. Koko von Knebel by Udo Walz heißt das Berliner Geschäft folgerichtig. An diesem Montag ist Ruhetag bei Walz, vielleicht ist es auch deshalb ruhiger bei Koko von Knebel, das Motto: „Every dog is a star“.

Koko von Knebel, mit Filialen auch auf Sylt und Mallorca, sei Marktführer, sagt Friedrich, „die hat den Trend entdeckt“. Den Trend zum verwöhnten Kleinsthund, der sich auch in amerikanischen Städten schon vor einigen Jahren zeigte. Selbstgenähte Stoffknochen gibt es in Berlin beim Hauptstadthund im Prenzlauer Berg. Der Doggieshop im selben Bezirk ist eher praktisch ausgerichtet, die Betreiberin mag Alpha Industries. In Mitte nennt sich der Laden Feinspitz und wirbt mit einer Erwähnung im Louis Vuitton City Guide.

Auch die Hundetragetaschen bei Koko von Knebel können mal 700 Euro kosten. Die Verkäuferin wirkt sehr bodenständig und sagt, es sei für jeden etwas dabei. Manchmal kommt Sabine Christiansen vorbei, die Elder Talklady, mit ihrem Mann, die beiden sprechen französisch, kaufen der Verkäuferin zufolge „eher so klassisch“, also „auch mal braun“.

Man integriert den Hund, das sei die Hauptsache heutzutage, das erzählen sie in vielen der Hundeläden. „Meine Wohnstube ist blau, dazu soll es passen“, sagt die Verkäuferin bei Koko von Knebel. Entsprechend wählt sie die Hundedecken. Der Hund als Mitbewohner, mit Stylingvormund.

Dass Läden wie der Doggie Design Store eröffnen, liegt auch daran, dass bisher vieles übers Internet lief, dass man beim Internethundehandel aber auf diverse Schwierigkeiten stößt. Oft passen die Shirts nicht. Das ärgert Kunden und Händler. Deshalb steht Dirk Friedrich nun also im Laden.

 

Das letzte Kind hat Fell

Lotta. Emma. Ludwig. Für viele sei der Hund natürlich ein Kindersatz, sagt Friedrich, 40 Jahre alt, der ein Kind hat, aber noch keinen Hund. „Das letzte Kind hat Fell“, kommentiert eine Kundin. Friedrich schmunzelt. Auch er, erzählt Friedrich, werde sich einen Mops anschaffen, einen altdeutschen, nicht einen dieser hochgezüchteten, die deshalb kaum atmen können, wegen der allzu flachen Nasen. Möpse seien Clowns, sagt Friedrich. Loriot habe sich schon den richtigen Hund als Maskottchen ausgewählt.

Allerdings seien French Bullys derzeit noch beliebter, also französische Bulldoggen, wohl weil sie mit ihren großen Augen so süß aussehen. Hugo ist so eine Bulldogge, erst wenige Wochen alt, ein bisschen teurer als 1.000 Euro, dafür entwurmt und mit Chip versehen, falls die Investition abhaut. Das Pärchen, das Hugo nun ein Halsband aussucht, investiert weiter.

Die Kleidung ist nicht nur eine modische Frage, sondern auch eine medizinische. Manchen Hunden ist einfach kalt, gerade den kleinen, den Modehündchen, mit dem Bauch knapp überm eisigen Berliner Winterboden. Die müssen ihre Bronchien schützen. Einige würden vom Arzt geschickt, erzählt Friedrich. Aber er hat schon den Eindruck, dass manche Besitzerinnen ganz froh sind, dass sie einen Grund haben, dem Kleinen etwas Schönes anziehen zu dürfen. Falls jemand blöd fragt: Es muss ja sein.

 

Doggie Design Store, Uhlandstr. 145, Charlottenburg, U Uhlandstraße, Tel. 88 72 08 13, Mo-Do, 9-16 Uhr, Fr 9-15 Uhr, www.doggiedesign.de

Koko von Knebel, Uhlandstr. 181, Charlottenburg, U Kurfürstendamm, Mo-Sa 11-19 Uhr, www.kokovonknebel.com