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Oliver Welke und die „heute show“

Herr Welke, was ist innovativ an der „heute-show“?
Wir setzen auf die Schnittmenge aus Satire und Comedy. Wir versuchen so bissig zu sein, wie eine herkömmliche Satire-Sendung, aber manche Sachen machen wir auch nur, weil wir sie lustig finden und nicht weil wir eine Haltung dazu haben. Wir sind eine Mischform aus beiden Welten. Unsere Art von Humor bezeichne ich gerne als intelligente Albernheit. Auf hohem Niveau albern sein, das ist, was wir anstreben. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal sind Taktung und Tempo. Es gibt keine vergleichbare Comedy-Sendung, die so schnell ist. Und wir versuchen, formal immer in der Welt der Nachrichten zu bleiben, unsere Reporterfiguren sollten, wenn man ohne Ton reinzappt, glaubwürdig wirken. Wir bleiben im Look und der Form einer Nachrichtensendung aber erlauben uns Ausflüge ins Absurde.

Wie zum Beispiel?
In der letzten Sendung haben wir einen Blick in die Zukunft gewagt und versucht, die Horrorszenarien von Blackout und Energiekrise, die die Stromkonzerne an die Wand malen, vorwegzunehmen. Wir hatten nur noch eine Kerze im Studio, ich hatte einen langen Bart und die Praktikantin hat ihre Beine nicht mehr epilliert.

Das gab im Studio den größten Lacher, als auf die Beine umgeschnitten wurde …
Natürlich, ein behaartes Bein ist ja auch lustig.

Gibt es denn Themen über die sie keine Witze machen?
Wir haben keine Tabuliste. Aber es gibt Grenzen. An dem Freitag, als der Tsunami Japan erreicht hatte, wollten wir die Sendung fast ausfallen lassen. Eine Woche später sah die Situation schon ganz anders aus. Die Schamfrist der deutschen Parteien, das Thema Fukushima innenpolitisch auszuschlachten, dauerte gerade mal ein paar Stunden. Schon bei der ersten Explosion wurde daraus Wahlkampf, und zwar von beiden Seiten. Das haben wir thematisiert. Eine Woche später haben wir etwas über die bescheuerten Tepco-Pressekonferenzen gemacht, weil die Informationspolitik von Tepco und Japan so bizarr war. Da muss man einfach Witze drüber machen. Aber immer mit Pietät.

Die „heute-show“ ist eine sehr moderne Satire-Sendung, was hat die im ZDF zu suchen?

Die kann nirgendwo anders als im Öffentlich-rechtlichen laufen. Meine Erfahrung mit Privatsendern ist, dass dort Politik als Abschaltfaktor Nummer Eins gilt. Wenn man da nur eine Pointe hat, die auf Kurt Beck endet, dann kommt ein Redakteur und meint: Nee, den kennen unsere Leute nicht. Tiefer und schlimmer kann man sein Publikum nicht beleidigen.

Wie kamen Sie auf die Idee, ein Buch zur Sendung zu machen?
Nach einem Jahr „heute-show“ haben diverse Verlage danach gefragt. Wir haben erst einmal allen abgesagt, weil wir so in der Mühle drin sind, von Montag bis Freitag auf dem Weg zur Sendung. Dann kam das Angebot von Rowohlt, das längerfristiger angelegt war. Und wir brauchten Zeit, denn wir haben festgestellt, dass das Material aus der Sendung nur einen Bruchteil des Buches füllen kann. Es ist doch ein anderes Medium, das lässt sich nur sehr begrenzt übersetzen.

Und sie legen in der Sendung auch viel Wert auf den wochenaktuellen Bezug.
Das ist das zweite Problem. Deswegen haben wir gesagt, wir müssen weniger aktuell werden und wir müssen, selbst wenn wir Gags übernehmen, sie ganz neu formulieren. Es gibt schon einen großen Unterschied zwischen Sprechsprache und Schriftsprache.

Das große Vorbild der „heute-show“ ist die US-amerikanische „The Daily Show“?
Klar, wir sind alle Fans der „Daily-Show“. Aber seit bestimmt zehn Jahren wird in Deutschland alles, was mit Satire zu tun hat, mit dem Argument verkauft: Das geht in Richtung  „Daily-Show“. Ich halte das für den schlimmsten Fehler, den man machen kann. Denn dieses Format läuft seit zwölf Jahren viermal die Woche und ist auf einem irre hohen Niveau. Wenn das die Referenz ist, dann kann man alle Spiegel verhüllen.

Die geben auch Bücher heraus: „Daily Show“ erklärt Amerika. Und jetzt das neue Buch „Earth“.
Man kann schon Parallelen ziehen. Es gibt einige Stilelemente, die wir auch haben. Aber für ihre Bücher hat sich die „Daily Show“ komplett von der Aktualität getrennt. Wir haben unser Buch als Bestandsaufnahme von zwei Jahren „heute-show“ und zwei Jahren Schwarz-Gelb gesehen.

Öffentlich-rechtliches Fernsehen und Buch: Das sind sehr klassische Kanäle, wie wichtig sind Ihnen die neuen Medien?

Wir haben mittlerweile rund 50.000 Facebook-Freunde, aber ich gehe so gut wie nie in solche Foren. Weil ich die Tendenz habe, mich davon beeinflussen zu lassen. Wenn ich da gelobt werde, denke ich sofort, das müssen wir öfter machen. Oder wenn zwei Leute sagen, das war albern, dann würde ich das nie wieder bringen. Aber ich finde es ganz interessant, mir Klickzahlen anzugucken. Wenn unsere Sendung bei YouTube eingestellt wird, dann hat die normalerweise innerhalb einer Woche 6.000 bis 8.000 Klicks. Einzelne Beiträge, wie unsere Guttenberg-Strecke waren in kürzester Zeit bei 180.000. Daran erkennt man den aktuellen Gesprächswert eines Themas.

Bis auf Claudia Roth war noch kein Politiker in der „heute-show“. Warum?

Dass wir eher gemieden werden, hat mit der Art von Satire zu tun, die wir machen. Wenn ein Kabarettist auf die Bühne kommt, dann steht immer unausgesprochen im Raum: Das ist die Meinung dieses Menschen. Aber wir treffen die Politiker mit Originalmaterial, mit Filmausschnitten. Das tut viel mehr weh, als der schärfste Kommentar. Die haben das mal so gesagt, ob in einer Talkshow oder im Bundestag, das kriegt man nicht wegdiskutiert. Aber meine Theorie ist, dass in so einem Auftritt für die Politiker eine Riesenchance liegt, wie das Beispiel Claudia Roth zeigt. Die Zuschauerzahlen waren über die vollen zwölf Minuten, die wir mit ihr hatten, konstant. Offensichtlich hat das die Leute interessiert, wie sie damit umgeht, dass sie mit Ausschnitten konfrontiert wird, wo sie nicht wirklich gut wegkommt. Sie hat das sehr gut gemacht. Als Fußballreporter habe ich gelernt: Wenn ein Spieler sich nach einer schlimmen Niederlage dem Interview stellt, punktet er im Ansehen der Zuschauer wenn er sagt: Das war heute gar nichts, und ich war auch schlecht. Aber wir sind für die Politiker eine unberechenbare Wundertüte, weil wir in diesem Niemandsland zwischen Satire und Comedy changieren. Bei Kabarettisten weiß man, wo die politisch stehen, bei uns ist niemand automatisch geschützt.

Wen hätten Sie denn gerne einmal in der Sendung?
Rainer Brüderle, einfach als Akt der Dankbarkeit. Wir haben mit niemandem so viel Sendezeit gefüllt, wie mit ihm. In einem Interview mit den Kollegen vom „heute-Journal“ hat er mal behauptet, wir hätten eine Maschine, mit der wir seine Stimme so verfremden, dass man ihn nicht mehr verstehen kann. Das meinte der ernst. Wenn ein Mensch weltweit nicht auf so eine Maschine angewiesen ist, dann Rainer Brüderle.


// heute-show

Das Buch: Rowohlt, Berlin 2011, 240 Seiten, 18,95 Euro
Die Sendung: Ab 16. September um 22.30 Uhr wieder wöchentlich im ZDF
Im Netz: www.heuteshow.zdf.de