Mit Liebe gemacht

Traditionelle Handwerker

Globalisierte Billigware beherrscht den Modemarkt.
Doch traditionelle Handwerker trotzen dem Trend mit individuell gefertigten Produkten

Die Hutmacherin:

Doreen Persche

Ob Panamahut, Schiebermütze, Zylinder oder nur ein kleines Federgesteck – bei Doreen Persche in der Schönhauser Allee findet man jede Art von Kopfbedeckung. Dass sie einmal Modistin werden würde, war für sie schon als Kind klar: „Die Hutmacherei hat eine ganz besondere Atmosphäre, ich habe mich da immer wohl gefühlt.“ 1998 übernahm sie den Laden von ihrem Onkel, gegründet wurde er bereits 1905 vom Geschwisterpaar Kleemann.

Während sich an der Einrichtung seitdem kaum etwas verändert hat – die Nussbaumschränke, die silberne Kasse und die alten Nähmaschinen stammen noch aus den 30er Jahren –, ist die Kundschaft jünger geworden. Zwischen 20 und 40 seien die meisten heute. Bei den Frauen erlebte Persche in diesem Jahr einen wahren Boom: Auf immer mehr Hochzeiten gab es Hutpflicht, ausgelöst durch die Königshäuser. 80 Prozent der Kunden sind jedoch Männer und die werden immer mutiger, tragen auch mal knallblau oder bordeauxrot.

Um ihre Zukunft macht sich Doreen Persche deswegen keine Sorgen: „Wer einmal mit dem Tragen von Hüten angefangen hat, der bleibt auch dabei. Das ist Gewohnheitssache.“ Außerdem wachse die Zahl der Bewerber, die bei ihr in die Lehre gehen wollen. Schade findet sie nur, dass die Berufsschule für Modisten weit weg im Schleswig-Holsteinschen Kellinghusen ist und es keine in Berlin gibt. Weil auch viele Kunden an dem Handwerk interessiert sind, bietet Persche seit letztem Jahr kleine Nähkurse an. Innerhalb von drei Tagen kann man so unter professioneller Anleitung zwei eigene Hüte entwerfen und anfertigen.

Kleemann Hüte
Schönhauser Allee 131, U Eberswalder Straße
Tel. 449 77 20, Mo-Fr 11-19 Uhr, Sa 10-15 Uhr
www.kleemann-huete.de

Die Frauenverschönerin:

Britt Sobotta

Ursprünglich hat Britt Sobotta Malerei studiert. Schon damals beschäftigte sie sich eingehend mit dem Thema „Eros“ und der Frage, was den Menschen reizt, beflügelt, einengt, befreit. Ihre persönliche Antwort war die Eröffnung ihres eigenen Ladens, der Berliner Miedermanufaktur, im Jahr 2006.
Ob es nur ein leichtes Taillenmodell ist oder ein festes Korsett, jeden Wunsch fertigt sie hier auf Maß an. Die Kundinnen können dabei aus einem großen Sortiment an Stoffen und Verzierungen wählen: Spitze, Organza, Federn, Schnüre, Perlen. „Wenn bei der Anprobe dann alles passt und ein Strahlen übers Gesicht der Kundin zieht, ist das der schönste Moment für mich.“

Wie couragiert ihre Kundinnen im Laufe der Jahre geworden sind, erstaunt Britt Sobotta immer wieder. Gerade die jüngeren unter ihnen legenviel Wert darauf, als Frau gesehen zu werden. „Bei all den männlichen Rollen, die wir in der Gesellschaft übernommen haben, finde ich das sehr wichtig.“ Dennoch ist jede Anprobe ein sehr intimer Moment und so ist es Sobotta ganz recht, dass ihre Werkstatt etwas abseits in Neukölln liegt, fernab vom Trubel.

Seit einiger Zeit beschäftigt sie sich bei den Maßanfertigungen auch mit dem Thema Brustkrebs. In Kooperation mit der Orthopädietechnik hat sie einen Weg gefunden, Prothesen direkt ins Mieder einzuarbeiten und so zumindest das äußere Erscheinungsbild wieder herzustellen. Einge Frauen mögen sich durch Mieder eingeengt fühlen, anderen gibt die veränderte Körperhaltung Selbstbewusstsein: „Ein Mieder kann sie im wahrsten Sinne des Wortes stützen.“

Berliner Miedermanufaktur
Schillerpromenade 5, Neukölln, U Boddinstraße,
Tel. 49 78 61 08, Mo, Mi u. Fr 12-15 Uhr, Di u. Do 12-19 Uhr
www.berliner-miedermanufaktur.de

Der Taschenmacher:

Jörn Rischke

Ein abgenutzter Holztisch, alte Nähmaschinen und Apothekerschränke, Bürsten, Hammer, Messer – die Werkstatt von Jörn Rischke sieht aus, als gäbe es sie schon viele hundert Jahre. Tatsächlich gründete er sie erst 1995 und wählte dabei ganz bewusst den Namen,

„Ledermanufaktur“, der Interpretation erlaubt. „Ich bin kein Täschner und auch kein Sattler. Ich fühle mich eher zwischen Gestaltung und Handwerk.“
Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf der Herstellung von Taschen. Sie erinnern meist an alte Botenmodelle, sind unverwüstlich und für viele Anlässe zu gebrauchen. Das Leder bezieht Rischke aus einer deutschen Gerberei und beizt es anschließend in spezieller Technik selber. Auch wenn sich die Farben dabei immer zwischen grau, braun und schwarz bewegen, langweilig wirkt das Ergebnis nie. Im Gegenteil: Die natürliche Struktur des Leders macht die Taschen lebendig und jede zu einem Unikat.

Bis ein Modell fertig ist, dauert es zwischen zwei und vier Wochen. Größe und Form werden auf Wunsch variiert und auch mal ein Innenfach eingebaut. Auf Verzierungen oder ein sichtbares Logo verzichtet Jörn Rischke und deswegen ist für ihn das schönste Kompliment, wenn jemand seine Taschen einzig am Material und an der Verarbeitung erkennt.

Dass altes Handwerk einmal aussterben wird, glaubt er nicht. Inzwischen wüssten die Leute wieder zu schätzen, dass etwas individuell für sie gefertigt wird. „Man geht in die Werkstatt und weiß daher genau, wo die Tasche her ist. Die Kunden sehnen sich nach so einer persönlichen Beziehung – und das macht mir Mut.“

Jörn Rischke Ledermanufaktur
Gipsstr. 7, Mitte, U Weinmeisterstraße, Tel. 28 38 71 36,
Di-Fr 12-18 Uhr, Sa 12-17 Uhr

Die Schirmherrin:

Jacqueline Brückner

Zu dem über hundert Jahre alten Fachgeschäft für Regenschirme kam Jacqueline Brückner durch einen Zufall. Ihr Onkel, selbst Schirmmachermeister, hatte es bei der Parkplatzsuche entdeckt und ging aus beruflichem Interesse gleich hinein. Als sich herausstellte, dass die damalige Besitzerin verkaufen wollte, übernahm er den Laden und übergab ihn 1995 seiner Nichte.

Ob Glocken- oder Quadratform, mit Zebramuster oder UV-Schutz, klein oder riesengroß – diesen Sommer liefen alle Modelle gut. „Eigentlich bin ich eher ein Sonnenmensch“, sagt Jacqueline Brückner. „Aber klar: Wenn es regnet, freue ich mich.“

Obwohl sie auch ein paar Sonnenschirme im Sortiment hat. Ihre Kundschaft hat sich im Laufe der Jahre verändert. Früher waren es vor allem Ältere, die einen Schirm passend zur Garderobe suchten, heute hat Brückner viele junge Kunden, die nach drei Billigmodellen aus dem Drogeriemarkt die Nase voll haben.
Das besondere an ihrem Geschäft sind jedoch nicht nur Qualität und Auswahl, sondern ist auch die angeschlossene Reparaturwerkstatt. „Im Moment komme ich kaum hinterher, die Leute bringen bündelweise Schirme.“ Nicht immer lohne es sich, ein kaputtes Modell zu flicken. Doch viele Kunden hängen daran, sei es wegen des besonderen Koalabärenmotivs oder weil es eben doch mal 300 Euro gekostet hat.

Altes Handwerk wird sich in Brückners Augen zum Positiven entwickeln. „Die Leute haben genug von den unpersönlichen Konsumtempeln. Sie suchen wieder etwas Spezielles und wollen dabei individuell bedient werden.“

Schirm-Schirmer
Kieler Str. 6, Steglitz,  U Schloßstrasse, Tel. 791 66 24,
Mo-Fr 10-18 Uhr, Sa 11-15 Uhr

Der Pantoffelheld:

Reno Jünemann

Wenn man die kleine Ladentür in der Torstraße öffnet, hört man es hinten aus der Werkstatt schon laut hämmern und klopfen. Knapp 80 Paar Pantoffeln werden hier am Tag hergestellt, und das bereits in vierter Generation. 1908 wurde der Betrieb von Bernhard Jünemann in Magdeburg gegründet, 1927 brachte ihn Sohn Otto nach Berlin, 1968 übernahm Enkel Günter und seit 2007 ist Urenkel Reno der Inhaber. „Dass ich die Tradition mal weiterführe, hab ich schon als kleiner Knirps gewusst.“

Stanzen, kleben, einfassen, zwicken und schließlich die Sohle durchnähen – etwa 30 Arbeitsschritte stecken in einem Schuh. Der Klassiker unter den Pantoffeln ist das karierte Kamelhaar-Modell. Sogar nach Japan, Australien und Südafrika hat Reno Jünemann schon Pakete verschickt.
Das Erfolgsgeheimnis? „Wir haben durchgehalten.“ Nach der Wende mussten die meisten Ostberliner Pantoffelmacher schließen. Jünemanns wurde zum Nischenphänomen und die Nachfrage stieg wieder an. Die Leute standen Schlange, zu Nikolaus und Weihnachten manchmal bis zur nächsten Straßenecke.
Was Reno Jünemann an seinem Beruf so liebt: Aus den rohen Materialien ein Produkt zu erschaffen und den enge Kontakt zu den Kunden. Denn auch wenn die meisten ganz genau wissen, was sie wollen („Größe 43, klassisch kariert, Filzsohle“), bleiben sie trotzdem zehn Minuten im Laden – für ein kleines Schwätzchen.

Ob seine Töchter das Pantoffeleck einmal weiterführen werden, weiß er nicht. „Aber wenn ich mir in 20 Jahren darüber Gedanken machen darf, bin ich glücklich. Denn dann heißt es, dass der Laden noch läuft.“

Jünemanns Pantoffeleck
Torstr. 39, Mitte, Tel. 442 53 37,  U Rosa-Luxemburg-Platz, Mo-Fr 9-18 Uhr, www.pantoffeleck.de


Weitere gute Adressen:

Edsor Kronen
Handgefertigte Krawatten seit 1909
Skalitzer Str. 100, Kreuzberg,
U Görlitzer Bahnhof,
Tel. 618 50 14, www.edsor.de

Hoffnung Berlin
Gürtel und Hosenträger nach Maß seit 1985
Rosenthaler Straße 40/41, Mitte, Tel. 752 74 40,
Mo-Fr 10-18 Uhr,
www.hoffnung-berlin.de

Maßatelier Fasan
Hemden und Blusen nach Maß
Fasanenstr.28, Charlottenburg,
U Uhlandstraße, Tel. 88 62 99 92,
Mo-Sa 10-18.30 Uhr, www.fasan-berlin.de

Harry Lehmann
Individuelle Duftmischungen seit 1926
Kantstr. 106, Charlottenburg,
U Wilmersdorfer Straße, Tel. 324 35 82,
Mo-Fr 9-18.30 Uhr, Sa 9-14 Uhr
www.parfum-individual.de

Chiton
Brautkleider nach Maß
Goltzstr. 12, Schöneberg,
U Eisenacher Straße, Tel. 216 60 13,
Mo-Fr 10-18.30 Uhr, Sa 11-14 Uhr
www.chiton.de