Spurensuche

Wanduhr

Einst hing sie in jedem deutschen Wohnzimmer. Diese Zeiten sind lange vorbei. Trotzdem führen zahlreiche
Berliner Einrichtungsgeschäfte Wanduhren. Warum eigentlich?

 

Man denke an Rainer Werner Fassbinders Adaption des Döblin-Klassikers „Berlin Alexanderplatz“: Da tickt und tackt es unablässig im Hintergrund. Das Werk dokumentiert die 1920er Jahre mitsamt deren Requisiten. Anfangs wurden die Schwarzwälder Ungetüme noch durch ein relativ ungenaues, komplexes Uhrwerk betrieben, das regelmäßig aufgezogen werden musste. Die Entwicklung zu mehr Pünktlichkeit und Effizienz verlief jedoch rasant. Ab Mitte der 1930er Jahre wurden die ersten elektromechanischen Uhren, genannt Quarzuhren, bereits in Serie produziert. Mit dem Ersetzen des analogen Antriebs durch kleine Batterien Ende der 60er tickte das Herzstück immer leiser und verstummte letztendlich im digitalen Zeitalter. Heute zieren kaum noch Wanduhren die deutschen Stuben. Stattdessen laden Fototapeten mit knallgrünen Bambusstangen oder Riesenposter der Skylines amerikanischer Großstädte zum Träumen ein. Dabei führen einige Berliner Einrichtungsgeschäfte noch immer spannende Wanduhrdesigns. Wir haben uns umgehört.

Uwe Mönnikes von Zeitlos Berlin.
„Ich war 16, da begann ich mich für die Technik von Wanduhren zu interessieren und schaute mir die erste von innen an. Damals habe ich angefangen, Design zu sammeln und meine erste Junghans für 500 Mark gekauft. Eine Wanduhr muss man schon haben – das ist etwas Tickendes mit Seele. Die Bauhaus-Modelle, auf die wir uns spezialisiert haben, sind zeitlos im Design und alles Originale aus den 30er Jahren. Der Zeitgeist war damals bürgerlich, nicht avantgardistisch. Strenge, geradlinige Entwürfe mit reduzierten Ziffernblättern, konzipiert von bedeutenden Gestaltern, waren keine Massenprodukte und hingen eher bei Künstlern und Architekten. Die klare Formsprache im Uhrendesign der Stilrichtungen Neue Sachlichkeit und Bauhaus lässt sich problemlos in jedes moderne Wohnzimmer integrieren. Wanduhren sind heute ein Randthema, deren Geschichte schlecht erforscht ist. Für mich sind sie aber Kulturgüter, die vor dem Aussterben bewahrt werden müssen.“

Kantstr. 17, Charlottenburg, S+U Zoologischer Garten, Mo-Sa 10-19 Uhr, Tel. 31 51 56 31, www.zeitlos-berlin.de

 

André Eid von Mobilien.
„Wanduhren sind nichts Altmodisches. Die Studentenmentalität, die sich nichts aus Zeit macht, teile ich nicht. Im Gegenteil: Ich ertappe mich ständig dabei, wie ich auf die Uhr schaue. Man braucht einen Anhaltspunkt – auch im Haushalt. Zu Hause habe ich zwei Wanduhren und in der Küche fehlt mir noch eine. Die Designs von pt, die wir führen sind keine Massenartikel, wie Schüsseln oder Teller. Die kauft man sich einmal und dann halten sie eine lange Zeit. Eine Wanduhr wird oft als Geschenk gekauft.“

Goltzstr. 13b, Schöneberg, U Eisenacher Straße, Mo-Fr 11-19 Uhr, Sa 11-17 Uhr, Tel. 71 53 86 75, www.mobilien-berlin.de

Dirk Berger vom S.Wert Shop.
„Meine Eltern hatten die klassische Kuckucksuhr im Wohnzimmer. Da ertönte zwar kein Kuckuck, aber ich fand den Glockenschlag zur vollen Stunde toll. Uhren als Dekorationselement haftet oft etwas Verstaubtes an, deswegen wollen viele sie nicht mehr in ihren Wohnungen haben. Ich hatte lange Zeit keine Wanduhr. Doch das empfand ich als Mangel und so entstand die Idee, mir selbst eine zu bauen – aus Acrylglas. Design-Inspiration dafür waren der Architekt Fritz Kühn und der Designer Verner Panton. Die Entwürfe führe ich in meinem Geschäft.“

Brunnenstr. 191, Mitte, U Rosenthaler Platz, Mo-Fr 11-19 Uhr, Sa 11-18 Uhr, Tel. 40 05 66 55, www.s-wert-design.de

Gordon Salmen von Planen + Wohnen.
„Im Grunde ist für die Wanduhren die Zeit abgelaufen. Heute hat jeder ein Handy. Die Geräte lösten ja auch die Armbanduhr ab. Trotz der geringen Nachfrage führen wir in unserem Geschäft noch einige Wanduhren-Modelle. Wir beschränken uns auf fünf Nelson-Designs. In den 50er Jahren entwarf George Nelson diese stilprägenden Modelle. Sie sind klassisch und zeitlos. Und Retro, insbesondere die 50er Jahre, funktioniert in Berlin immer.“

Münzstr. 2, Mitte, S+U Alexanderplatz, Mo 14-18.30 Uhr, Di-Fr 10-18.30 Uhr, Fr 11-16 Uhr, Tel. 247 61 22, www.planen-wohnen.de

Peter Winkler von Antiquitäten An- & Verkauf.
„Es sind die Standuhren, die wieder im Trend liegen. Regulatoren für die Wand, die über Uhrwerk und Pendel verfügen und im Volksmund als Wanduhren bezeichnet werden, sind Liebhaberstücke. Meine Kunden entwickeln ihre Affinität zu Gründerzeit- oder Biedermeier-Uhren über ihre Eltern und Großeltern. Das Schwingen des Pendels oder das Schlagen der Glocke machen diese alten Modelle lebendig. Das kann eine Quarzuhr nicht. Weil an jeder Uhr eine Geschichte hängt, bekommen schöne Einzelstücke immer einen besonderen Platz in modernen Wohnzimmern.  Leider wurden viele der heute antiken Modelle im Krieg als Brennholz benutzt. Im Laufe der Jahre konnte ich einige Stücke zusammentragen: eine Bilderuhr aus dem 19. Jahrhundert, maritime Schiffsuhren, Jugendstiluhren, eine Küchenuhr aus den 30er Jahren. In Berlin gibt es einige Sammler, bei den hängen 20 bis 25 Uhren aus der Gründerzeit an der Wand.“

Torstr. 98, Mitte, U Rosenthaler Platz, Mo-Fr 13-19 Uhr, Tel. 282 23 67