Generation Internet

„Wired“

Papier für die Generation Internet
Computer-Magazine verlieren immer mehr Leser. „Wired“ hingegen könnte ein Printprodukt fürs Netzzeitalter sein

Isabel Klatte hat es zur Zeit nicht leicht. Sie ist stellvertretende Filialleiterin eines Zeitschriftenhandels am Berliner Alexanderplatz. Meterweise Zeitschriftentitel füllen die Regale, allein im Bereich „Computer/Technologie/Fotografie“ sind es rund 60 Publikationen. Die Absatzzahlen aber sind seit zwei Jahren rückläufig. „Frauen- und Fernsehzeitschriften laufen immer“, sagt Klatte. „Aber wir verkaufen nur noch ein Fünftel der Computerzeitschriften, die wir früher absetzen konnten.“  Das amerikanische „Wired“-Magazin zählt sie nicht dazu. Es wurde in der internationalen Ecke aus Platz- und Rubrikmangel unter „Fashion“ und „Lifestyle“ einsortiert. Am 9. September erscheint die deutschsprachige Variante der Zeitschrift.

Der Name „Wired“ steht für progressiven Journalismus abseits von Formatdenken. Seit 1993 erscheint das in San Francisco gemachte Magazin für „digitalen Lifestyle“ monatlich, seit 1998 gehört es zum Condé Nast-Verlag. Sein Ansatz, dem digitalen Wandel unserer Gesellschaft mit offenen Armen zu begegnen, sprach sich auch außerhalb der Fachpresse herum. Neben unzähligen Journalismus-, Marketing-, Werbe- und Designpreisen für Heft, Online-Auftritt und Smartphone-Apps kürte die „AdWeek“ „Wired“ 2009 zum „Magazine Of The Decade“, im gleichen Jahr erschien Wired in Großbritannien und Italien.

Wenn „Wired“ nun – vorerst einmalig als Beilage des Männermagazins GQ und als iPad-App – in Deutschland erscheint, trifft es auf einen nur scheinbar gesättigten Markt. Techmagazine gibt es von „c’t“ über „Chip“ bis „Computer Bild“ unzählige, ihre Auflagenzahlen sind aber seit zehn Jahren bestenfalls stabil. Über technische Detailfragen hinaus, hin zum gesellschaftlichen Überblick, gehen diese Zeitschriften selten, die Schlagzeilen in der Tech-Medienwelt schreiben für gewöhnlich Blogs wie Techcrunch, Engadget oder Gizmag.

Sascha Pallenberg sagt: „Wir haben ein Überangebot an IT-Magazinen in Deutschland, deren News aus dem Netz zusammenaggregiert und nicht aktuell sind. Die kämpfen um die letzten Leser.“ Der 39-jährige Blogger ist Gründer der Technikseite Netbook-news.com. Er ist Fan des „Wired“-Magazins und seiner Andersartigkeit, auch weil es viel dafür getan habe, „dass Technologie als cool gilt“. An einen Erfolg in Deutschland glaubt Pallenberg trotzdem nicht. Das Zielpublikum sei online und lese online, sagt er. Man müsse konsequenter über Apps gehen, die mehr als ein Eins-zu-eins-Abklatsch des gedruckten Magazins sind.

Moritz von Laffert ist als Geschäftsführer und Herausgeber von Condé Nast Deutschland naturgemäß optimistischer. Der Mann hinter Lifestyle-Publikationen wie „Vogue“, „Glamour“, „Myself“ oder „GQ“ glaubt an den Kultstatus der Marke „Wired“. Ein Markt sei vorhanden: „In den ersten vier Wochen nach dem Start haben sich 700.000 Deutsche bei Google+ angemeldet. Diese Menschen, die offen und neugierig auf digitale Innovationen reagieren, gehören in unsere Zielgruppe.“

Das Internet ist für von Laffert keine Konkurrenz, andere Magazine auch nicht. „Ein Techblog ist ein vollkommen anderes Medium und innerhalb des Zeitschriftengenres bildet „Wired“ einen direkten Gegenentwurf zu klassischen Computermagazinen“, sagt er. Und ausschließlich über Apps und Browserangebote auf den deutschen Markt gehen, wie Pallenberg es vorschlägt? Nein, denn: „Wer glaubt, dass Internet-Vielnutzer grundsätzlich nur digitale Medien wollen, versteht diese Zielgruppe nicht“, so der Herrausgeber.
So oder so: Der deutsche Magazin- und Appmarkt wird erst dann um ein spannendes Angebot reicher, wenn „Wired“ sich in einer zweiten Ausgabe eigenständig etabliert. Die Verkaufszahlen der ersten Ausgabe dürften relativ nichtssagend sein. Denn Wired und GQ werden gemeinsam in Folie eingeschweißt ausgeliefert. Solche Zeitschriften, das weiß Händlerin Isabel Klatte aus langjähriger Erfahrung, lassen die Leute liegen: „Niemand kauft gerne die Katze im Sack.“