Politik

6. Stiftung


Anja Gerlich (Mitte) und die anderen 24 Bewohner zahlen heute  eine Miete von sieben Euro pro Quadratmeter

Im Jahr 2006 sollen die Bewohner des Schokoladens in Mitte gehen, wieder einmal. Der Eigentümer will das Gelände der alten Schokoladenfabrik verkaufen, in dem Hausbesetzer seit 1990 nicht nur eine Kneipe mit Bühne betreiben, sondern auch wohnen. Anja Gerlich, die seit 2003 im dem Haus in der Ackerstraße lebt, und die anderen etwa 25 Bewohner gründen einen Verein, mobilisieren Unterstützer, gehen auf die Straße, kleben Plakate. Erst als ein reicher Unterstützer anbietet, das Haus zu kaufen und an den Verein zu vermieten, ist eine Lösung in Sicht. Doch der Eigentümer will für das große Grundstück in Mitte zu viel Geld, der Unterstützer muss passen. Die Schokoladen-Leute erzählen Bekannten und Freunden von der prekären Situation ihres Hauses. Befreundete Werber professionalisieren die Projektpräsentation, Unternehmensberater  stellen einen realistischen Finanzplan auf. Mit diesem Konzept kontaktieren die Hausbesetzer die Stiftung Umverteilen, die Verantwortlichen sind sofort begeistert. Doch der Eigentümer will wieder mehr. Auch die Stiftung hat schließlich nicht genug Geld, um das Haus zu kaufen. Es folgt ein Casting: „Wir haben in den Jahresberichten der Stiftungen, die alle online stehen, nachgeschaut, welche zu uns passt – und am meisten Geld hat“, sagt Anja Gerlich, 39, heute in der Kneipe Schokoladen.
Die Hausbesetzer stoßen auf die Schweizer Edith-Maryon-Stiftung, deren Ziel es ist, „Grundstücke aus dem Waren- und Erbstrom herauszulösen“. Das Konzept des Schokoladens überzeugt die Schweizer. Die Stiftung bietet an, das Grundstück der alten Schokoladen-Fabrik zu kaufen und dem Verein Schokoladen zu verpachten. Der Schokoladen müsste das Gebäude kaufen und dessen Sanierung übernehmen.

Eineinhalb Jahre lang verhandeln Stiftung, Schokoladen, Stadt und Eigentümer. In dieser Zeit wird das besetzte Haus in der Liebigstraße 14 in Friedrichshain geräumt. Das hilft bei den Verhandlungen, die Stadt will nicht noch einmal solche negativen Schlagzeilen. Zudem hat der Schokoladen mittlerweile eine breite Unterstützung in ganz Berlin. Stadt und Eigentümer einigen sich schließlich auf einen Grundstückstausch.

Im Mai 2012 unterschreiben Gerlich und die anderen den Vertrag mit der Stiftung. Seitdem zahlen die etwa 25 Bewohner eine Miete von sieben Euro pro Quadratmeter an den Verein, der damit die Pacht bezahlt, die Kredite für das Haus und die Betriebskosten. Die Sanierung machen Gerlich und die anderen selbst, unterstützt von fachkundigen Bekannten und mit Spenden von Unterstützern.


Das Haus in der Ackerstraße, Ecke Torstraße ist seit Jahren begehrt und umkämpft