Wahl zum AbgeordnetenHaus (8)

Das Duell

Sie fordert ihn heraus, er verteidigt sein Amt. Renate Künast oder Klaus Wowereit, einer von den beiden wird nach dem 18. September diese Stadt regieren. Zwei Kandidaten. Zwei Gespräche. Eine Wahl:

Ein Duell? Es war der 5. November vergangenen Jahres, ein Freitagabend, 19.24 Uhr, als Renate Künast den Satz sagte, auf den alle warteten: „Ich bin bereit, ich kandidiere für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin von Berlin.“ Auf der einen Seite der landesweite Grünen-Boom, auf der anderen Seite der regierungsmüde Bürgermeister. Jetzt wird’s wird eng für Klaus Wowereit, dachten viele.

Doch die SPD positioniert sich laut jüngsten Umfragen mit knapp zehn Prozentpunkten klar vor der Konkurrenz, die CDU liegt mittlerweile gleichauf mit den Grünen. Klar ist: Künast konnte bislang nicht übermäßig punkten. Klar ist aber auch: Der Kampf um das Amt des Regierenden Bürgermeisters ist kein Dreikampf. Glaubt man den Umfragen, so haben die Konservativen lediglich die Option mitzuregieren, entweder mit Rot oder mit Grün.

Wenn die CDU auf Platz zwei landet, wird Künast, wie angekündigt, auf die Bundesebene zurückwechseln, und Grüne oder  Linke werden Juniorpartner der SPD. Künast kann nur noch hoffen, dass sie vor der CDU landet und Christdemokraten für eine Regierung gewinnt. Immerhin könnten die so mehr Senatoren bestellen als unter Wowereit. Einer Koalition mit der CDU würden die Realos um Künast sicher zustimmen, harte Auseinandersetzungen mit dem linken Flügel sind dabei jedoch vorauszusehen.

Also doch: ein Duell. Zwischen Wowereit und Künast, zwischen ungleichen Politiker-Typen. Auf den ersten Blick fallen zwar die Gemeinsamkeiten auf: Beide sind fast gleich alt, er 57, sie 55, beide sind Juristen, beide wohnen in Charlottenburg. Und doch trennen sie Welten. Klaus Wowereit, der typische West-Berliner. Er wächst auf in Lichtenrade, ohne Vater, mit vier Geschwistern. Er schafft es, sich den einen  Traum zu erfüllen: eine Wohnung am Kurfürstendamm. Renate Elly Künast stammt aus Recklinghausen im Ruhrgebiet. Der Vater ist Mechaniker, die Mutter hilft im Krankenhaus, drei Geschwister. Sie kommt in den 1970er Jahren nach Berlin, lebt in Wohngemeinschaften, beißt sich in die Bundespolitik durch, wird Ministerin und Fraktionschefin.

Bei beiden geht es um alles. Sie braucht zumindest ein akzeptables Ergebnis, um in der Parteispitze wieder ihren Platz zu finden. Er muss gewinnen – unbedingt. Die Gerüchte, dass er Kanzler werden will, gibt es nach wie vor. Und solange er das Bestreben nicht klar verneint, werden sie sich weiter halten. Außer: Er verliert die Wahl. Dann hat sich das erledigt.

zur Person:

Herausforderin Renate Künast:
In den 1970er Jahren Studium der Sozialarbeit in Düsseldorf und Sozialarbeiterin in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel, dann Jurastudium an der Freien Universität.
1979 Eintritt in die West-Berliner Alternative Liste, zwischen 1985 und 2000 Mitglied des  Abgeordnetenhauses und Fraktionschefin.
Von 2001 bis 2005 Verbraucherschutzministerin, seit 2002 Bundestagsmitglied und Fraktionsvorsitzende der Grünen

Amtsinhaber Klaus Wowereit:
In den 1970er Jahren Jurastudium an der Freien Universität.
1984 Wahl zum Bezirksstadtrat für Volksbildung und Kultur in Tempelhof.
1995 Wahl ins Abgeordnetenhaus, 1999 Wahl zum Fraktionsvorsitzenden der SPD, 2001 Wahl zum Regierenden Bürgermeister.
Seit 2009 ist er einer der vier stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD