Rock'n'Roll

Der entspannte Mitbewohner

Jan-Patrick Kern braucht keine vorgegebene Struktur, sondern lebt selbstbestimmt in einer WG

Mit Blick auf die Spüle sagt Jan-Patrick Kern: „Gut, ich hab schon Probleme, die Küche sauber zu halten.“ Es stapelt sich noch das Geschirr des letzten Abendessens, das er gekocht hat. Er kennt sie, die typischen WG-Reibereien. Wer putzt wann, wer geht früh ins Bett, während der andere gerne noch Musik hören möchte. Der 31-Jährige lebt in Weißensee mit drei Mitbewohnern zusammen, die Lernschwierigkeiten haben. Jan-Patrick Kern selbst kam mit Downsyndrom auf die Welt.

Meinungsverschiedenheiten haben sie schon. „Weil ich so viel quatsche“, sagt Kern. „Die anderen wollen ihre Ruhe haben.“ So ist von den Mitbewohnern auch nicht viel zu sehen, zwei sind bei der Arbeit, der dritte hat sich in sein Zimmer zurückgezogen. Das kommt öfters vor und Jan-Patrick Kern ist nicht immer glücklich damit. Wenn er von der Arbeit kommt, möchte er erst einmal zusammensitzen, aber dann sind die anderen oft schon in ihrem Zimmer.  „Deshalb bin ich auch Telefonjunkie“, sagt Kern. Man kann eben nicht immer alles haben und Differenzen gibt es in der besten WG.

Jeden Tag bekommen die Bewohner im obersten Stockwerk eines regulären Wohnhauses von 14 bis 20 Uhr Besuch von einem Unterstützer aus dem Verein, der die Wohngemeinschaft betreibt. Kern erhält dann Beratung in Dingen wie Wäschewaschen und gesunde Ernährung. Seine Tagesstruktur aber kann er selbst bestimmen. Dass er zum Beispiel so gerne zur Arbeit geht, dass er meistens schon eine Stunde früher da ist, ist seine Sache.

Das war nicht immer so. Mit 24 Jahren ist Jan-Patrick Kern von zu Hause ausgezogen in eine betreute Wohngemeinschaft. „Das ist nur Stress für mich gewesen“, sagt er. Der ganze Tag war durchgetaktet: Wann hat er aufzustehen, einzukaufen, Wäsche zu waschen, zu kochen. Für manche Menschen können solche vorgegebenen Strukturen hilfreich sein, aber Kern möchte selbst bestimmen.

 

Das kann auch mal dazu führen, dass er sich abends um 23 Uhr noch einen Berg Nudeln mit Hackfleisch macht. Aber er achtet jetzt schon mehr auf sich. Auch mit Zigaretten und Alkohol ist er zurückhaltender geworden. Seit zwei Jahren wohnt er jetzt in der WG in Weißensee. Manchmal würde er sich wünschen, dass hier ein bisschen mehr los ist, auch weil er gerne abends mit seinen Freunden ein Bier trinken geht. Aber von hier ist es nicht weit zum Theater Rambazamba, wo er als Schauspieler arbeitet. Und wenn er Glück hat, sitzt zum Feierabend dann doch mal einer der Mitbewohner im Wohnzimmer. Dann wird gemeinsam ferngesehen oder Wii gezockt. Und natürlich gequatscht.

 

So sieht’s aus:

Einen Überblick über die Angebote vom betreuten Einzelwohnen bis zur unterstützten Wohngemeinschaft gibt es bei der Beratung Lotse Berlin. Die Beratungsstelle wird vom Senat finanziert.
Auf dem Wohnungsmarkt für barrierefreies Wohnen sieht es dagegen noch mau aus. Der Landesbehindertenbeauftragte Jürgen Schneider sagt: „Es fehlen für behinderte und alte Menschen ein paar Tausend barrierefreie Wohnungen.“