Rock'n'Roll

Die Regelschülerin

Emilia Karschies ist in ihrer Klasse voll akzeptiert

Kein Wunder, dass Emilia eigentlich keine Lust hat, über Schule zu reden. Wenn man endlich mal Ferien hat. Als die Neunjährige dann doch anfängt, kommt sie in Fahrt – besonders wenn sie von ihren Freunden erzählt. „Der Flori will auch immer meine leichten Aufgaben haben“, sagt sie.

Emilia Karschies wird in einer Regelschulklasse an der Pestalozzi-Schule in Zehlendorf unterrichtet. Von 20 Schülern haben fünf einen Förderschwerpunkt. Emilia ist zu früh auf die Welt gekommen. 705 Gramm hat sie nur gewogen. Seitdem lebt sie mit einem Luftröhrenschnitt, hat eine beeinträchtigte Mundmotorik und eine verzögerte geistige Entwicklung. In ihrer Klasse hat sie viele Freunde – bis dahin war es jedoch ein steiniger Weg für sie. Sie ging zunächst in ein Förderzentrum. Doch als ihre Mutter mitbekam, dass es geschlossen werden sollte, wechselte Emilia auf eine Regelschule in Wilmersdorf. Auf einmal hatte Emilia keine Freunde mehr, bekam keine Einladungen zu Besuchen und Geburtstagen. Die Kinder in ihrer Klasse hielten Abstand. „Stell dir mal vor, du bist ich. Und ich bin ganz komisch zu dir“, sagt Emilia. Stefanie Karschies glaubt, dass die beiden Lehrerinnen kein wirkliches Interesse daran hatten, eine integrierende Klassengemeinschaft zu schaffen.

 

Emilia bekam Bauchschmerzen, wollte nicht in die Schule. Als das zweite Schuljahr begann, war sie so unglücklich, dass sie noch vor den Herbstferien auf die Pes-talozzi-Schule wechselte. Hier geht es ihr gut. Nur einmal wollte ein Mitschüler bei einem Schulprojekt nicht mit ihr tanzen, weil er Emilia komisch findet. Da hatte Emilia 18 Mitschüler auf ihrer Seite, die sagten: Wieso? Emilia ist doch toll und nett. Das Konzept ist das gleiche wie an der vorherigen Schule, nur haben ihre Klassenkameraden Emilia dieses Mal ganz selbstverständlich in ihrer Mitte akzeptiert.

 

So sieht’s aus:

Mehr als jeder zweite Schüler von mehr als 20.000 Berliner Schülern mit Förderbedarf geht in der Hauptstadt in eine Regelschule. Nur Bremen und Schleswig-Holstein haben noch eine bessere Quote vorzuweisen.
Doch die Bildungsexpertin Lisa Reimann sagt: „Wenn die Lehrer Vorurteile gegenüber Inklusion haben, ist das Ganze zum Scheitern verurteilt.“ Und die Lehrer sind oft überfordert, vielen fehlt es an der sonderpädagogischen Ausbildung.
Was den Umbau der Schulen betrifft, hat Berlin einen Rückschlag erlitten: Er wird auf 2016 verschoben. Es geht dabei nicht allein um Rollstuhlrampen. Es mangelt auch an Rückzugsräumen und an zusätzlichen Zimmern.