Radtour 23

Ost-Berliner Idylle – Ritt zu den Kaulsdorfer Seen

Zwischen Plattenbauten und Ausfallstraßen versteckt sich eine Idylle am Wasser: die Kaulsdorfer Seenlandschaft
Text Robert Schultz

Berlin besteht nicht nur aus schicken Town-House-Siedlungen und restaurierten Altbaubezirken. So viel erahnt man spätestens bei einem flüchtigen Blick die Frankfurter Allee hinunter Richtung Lichtenberg. Und dass in den aus Betonfertigteilen zusammengezimmerten Satellitenbezirken Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf auch heute noch mehr Menschen leben als in vielen, mittelgroßen deutschen Städten, mag zwar angesichts inzwischen flächendeckender Warmwasseranbindung verwundern. Aber was zu DDR-Zeiten als absolut erstrebenswert galt und nur für Privilegierte zu haben war, hat auch heute noch seinen Reiz. Man muss ihn nur entdecken wollen. Und wie könnte das besser gehen als mit dem geliebten Drahtesel und einem schönen See als krönenden Abschluss dieses Stadtabenteuers!

Unsere Tour startet in Pankow, optional aber auch in Prenzlauer Berg, Weißensee oder Mitte, denn zunächst gilt es, die West-Ost-Tangente Ostseestraße zu erradeln. Selbige gibt uns einen kleinen Vorgeschmack auf das zu erwartende Plattenbauspektakel. Entlang der Zehngeschosser, denen im Rahmen „baulicher Nachverdichtung“ bald noch weitere Wohnhäuser vorangestellt werden, geht es hinein in den Volkspark Prenzlauer Berg. Der stiefmütterlich behandelte, kleine Bruder vom Volkspark Friedrichshain ist allein wegen dem neunthöchsten Berliner Gipfel eine Reise wert. Erklimmen lohnt, denn von oben hat man eine gute Aussicht auf sehr viel Beton in allen erdenklichen Farbvariationen. Besonders schöne, rosa Exemplare begegnen dem geneigten Abenteurer dann auch gleich auf der Landsberger Allee. Selbiger Hauptschlagader für den Verkehr gen Osten muss man, im Interesse der eigenen Feinstaubbelastung, glücklicherweise für nicht allzu lange Zeit folgen. Denn ehe man das beliebte Ausflugsziel, das schwedische Möbelhaus, erreicht, biegt man schon in einen grünen, ruhigen Radweg ein, der fast bis zum S-Bahnhof Springpfuhl verläuft.

Dem aufmerksamen Betrachter ist mittlerweile nicht entgangen, dass kein Hochhaus dem anderen gleicht, und auch nicht, dass sich Radinfrastruktur und Wohnumfeld nicht spinnefeind sein müssen. Sehr vorbildlich ausgeschildert und über ruhige Nebenstraßen fahrend, lässt man nun die Mehrgeschosser hinter sich, um sich im schönen Wuhletal fast schon wie auf dem Land zu fühlen. Dabei stört es auch nicht, dass man ein Stück über das Gelände des Unfallkrankenhauses Marzahn zurücklegen muss.

„Hoffentlich muss ich nie hierher!“, mag man noch angesichts tagtäglich erlebter Rechtsabbiege-Situationen denken, doch im nächsten Moment reißt einen der schöne Wuhletalweg aus den Gedanken und katapultiert einen direkt in die Kaulsdorfer Seenlandschaft. Dort gibt es drei Seen: Butzer See, Elsensee und Habermannsee sind alle idyllisch gelegen und die Wasserqualität ist, vom Hochsommer vermutlich abgesehen, auch passabel, womit einer verdienten Abkühlung nichts im Wege steht.

Wer sich die recht eintönige Rückfahrt entlang Berlins größtem Parkplatz im Berufsverkehr, der B1, ersparen will, steigt in Kaulsdorf in die S-Bahn und ist in 15 Minuten wieder in der Stadt.

Foto imago/ Hohlfeld