Politik

2. Baugruppe

An einem Sommertag vor gut zwei Jahren packt Michael Hölzen nicht weit vom Mehringdamm seinen Wagen für den Sommerurlaub. Dabei beobachtet er, wie eine Reihe von Müttern 1000-Euro-Kinderwagen an ihm vorbei schieben. Danach sieht er eine Armee von Anzugträgern mit Knopf im Ohr und Aktentasche unterm Arm auf ihn zukommen. Er denkt: „Mein Kiez ist nicht mehr derselbe. Bald steigen die Mieten auch bei uns. Ich muss etwas tun.“
Wenig später erzählt ein Kollege Michael Hölzen von einem Baugruppen-Projekt in der Czarnikauer Straße im nördlichen Prenzlauer Berg. Als er mit seiner Frau und den 14- und 15-jährigen Töchtern das erste Mal den Baugrund sieht, ist der Himmel grau, die Gegend seltsam, der Hinterhof zu klein. Beim zweiten Mal scheint die Sonne, die Nachbarn sind freundlich. Hölzen spricht kurz darauf mit dem Architekten der Baugruppe und ­erfährt, dass der schon mehrere Baugruppenprojekte umgesetzt und selbst initiiert hat und bekannt dafür ist, Termin- und Kostenpläne einzuhalten. Als er und seine Frau die anderen 15 Baugruppen-Mitglieder treffen, finden sie sie sympathisch. Familie Hölzen beschließt: „Das klingt nach einem kalkulierbaren Risiko, das versuchen wir.“
Michael Hölzen, 50, und seine Frau sind freiberufliche Journalisten, schwierige Kreditanwärter. Ein Drittel des Kaufpreises können sie aber mit Erspartem und ­Zuschüssen der Eltern bezahlen. Damit gehen sie zur Bank, die bereits mit der Baugruppe zusammenarbeitet und auf nachhaltiges Wirtschaften spezialisiert ist. „Das sieht solide aus, das machen wir“, sagt ihnen der Bankberater. Im Winter 2012 unterschreibt die Familie den Vertrag mit der Baugruppe.
Seit nicht mal zwei Monaten leben die Hölzens in der neuen 130-Quadratmeter-Wohnung in Prenzlauer Berg. Im Flur steht noch ein verpackter Schrank, im Bad fehlen noch Regale. „Wir fühlen uns richtig wohl“, sagt Michael Hölzen, er sitzt an einem großen Holztisch in der offenen ­Küche. „Die Stimmung im Haus ist gut, alle sind zufrieden.“ In den zwei Jahren Planungs- und Bauphase haben sich die Baugruppenmitglieder kaum gestritten. Eine Ausnahme, viele Baugruppenprojekte sind von Streit geprägt. „Ich denke, bei uns verlief alles so ruhig, weil der Architekt uns kaum Mitspracherecht bei der Fassadengestaltung gegeben hat – das ist einer der größten Streitpunkte bei Baugruppen“, sagt Hölzen. Natürlich sind auch ein paar Dinge beim Bau schief gegangen, ein paar Wasserrohre sind gleich beim Einzug geplatzt. „Aber Probleme sind normal, wenn man baut“, sagt er, „wichtig ist, dass man alles in den Griff bekommt – und das haben wir geschafft.“


Oben angekommen: Nach Jahrzehnten in Kreuzberg zog Michael Hölzen, 50, 
mit seiner Frau und den beiden Töchtern nach Prenzlauer Berg