Auf gute Nachbarschaft

Der unglückliche Single

Der unglückliche Single

Wenn jeder Mensch eine Insel ist, dann ist er ein abgelegenes Atoll – unter dessen Oberfläche heißes Magma lodert. Ist er wieder einmal verliebt, bekommen alle es mit. Erst rauscht er ständig die Treppe hinunter, in der Hand einen gigantischen Blumenstrauß und in seinem Gesicht ein breites Lächeln, das Vorfreude ausdrückt. Vorfreude weniger auf das bevorstehende Date mit seiner neuesten Flamme, sondern mehr auf das bevorstehende Leben mit ihr, in dem sie sich gegenseitig Erich Fried vorlesen, sich mit Spreewälder Gürkchen füttern und bei Ikea Kindermöbel aussuchen. Denn erst zu zweit ist man ein ganzer Mensch, dessen ist er sich sicher. Das ist Phase Eins, die nie lange andauert. In Phase Zwei ist er wochenlang nicht zu sehen. Einziges Lebenszeichen sind die traurigen Lieder, die aus seiner Wohnung klingen. Spätestens, wenn in Dauerschleife Xavier Naidoo läuft, wo auf die Zeile „Sie sieht mich einfach nicht“ zuverlässig ein Schluchzen folgt, das im Lied gar nicht vorgesehen ist, fängt er an zu nerven. Doch niemand beschwert sich, denn im Geheimen sind alle dankbar, dass es jemanden gibt, der noch unglücklicher ist als man selbst.

Möglicher Mitbewohner: der Harmoniesüchtige, zum Aufmuntern
Sicherer Auszugsgrund: Liebesnestbau nach erfolgreichem Date