Swing in Clärchens Ballhaus
Da brennt was von innen, auf dieser proppevollen Tanzfläche. „Lebensfreude“, sagt Barbara, 37. Seit zwei Stunden beackert sie durchgehend die Tanzfläche. Ihre Augen glänzen, ihre Wangen glühen. Unter der großen Discokugel, im holzverkleideten Saal mit dem Lametta an den Wänden, wird nicht einfach nur getanzt. Es wird alles in die Waagschale geworfen, was man hat, um diesen Abend zu einem unvergesslichen werden zu lassen. Jeden Mittwoch, seit etwa sieben Jahren. Ein, zwei Frauen in gepunkteten schwarz-weißen Kleidern, mit strengem Scheitel und ordentlich Wimperntusche, dazu ein paar Männer im Frack. Ansonsten: Von der Kleidung über den Haarschnitt bis zum Alter heterogen wie ein Gemischtwarenladen. „Das find ich so geil“, sagt Lotta, seit sieben Jahren Swinglehrerin des Hauses. „Hier kommen Generationen zusammen und verstehen einander – etwas, was wir eigentlich völlig verlernt haben.”
Der Lindy Hop, der vorwiegend in Clärchens Ballhaus getanzt wird, entstand als Melange aus Charleston, Break-Away, Stepptanz und jazzigeren, freieren Tänzen. Er ist eine der klassischsten Spielarten des Swing. „Es passiert körperlich und kommunikativ extrem viel“, sagt Julia, Mittzwanzigerin und Swingtänzerin seit einem Jahr. Auf der Tanzfläche ist tatsächlich einiges los: Meika und Tobias, beide um die 30, ziehen einander an den Händen herbei, stoßen sich wieder ab. Es wird eine Pirouette gedreht und schon ist Meika wieder in Tobias Arm gelandet. Tobias schmeißt Meika an den Hüften hoch, sie landet nach halber Drehung wieder vor seinen Füßen, mit dem Rücken zu ihm.
Als Swingtänzer wurde man zur Zeit des Nationalsozialismus verfolgt. Daran erinnert Lehrerin Lotta gerne in ihre Kursen und bringt dazu gleich das passende Zitat von Swinglegende Coco Schumann, eines Holocaustüberlebenden: „Wer den Swing in sich hat, kann nicht mehr im Gleichschritt marschieren’’, sagt sie. Jens Uthoff
Eintritt: Frei
Sieht gut aus nach: einem halben Jahr wöchentlichen Trainings
Wer das mag, mag auch: Charleston
Clärchens Ballhaus, Mitte, Auguststr. 24, Mi 21 Uhr, www.ballhaus.de
Jeder ist tanzbar, Friedrichshain, Rudolfstraße 1-8, www.jeder-ist-tanzbar.de, www.swinginberlin.de
SALSA
Grüner Salon, Mitte, Rosa-Luxemburg-Platz, Di 21 Uhr, www.gruener-salon.de
Soda, Prenzlauer Berg, Schönhauser Allee 36, Do 21 Uhr, So 20 Uhr, www.soda-berlin.de
Havanna, Schöneberg, Hauptstr. 30, Fr, Sa, Mi 22 Uhr, www.havanna-berlin.de
Weitere Paartänze
Traumtänzer, Tempelhof, Columbiadamm 8-10, Wilmersdorf, Westfälische Str. 49, traumtaenzer.de
Tango im Tangotanzen Macht Schön
„Als Mann kann ich mir hier die Frauen aussuchen“, sagt ein 70-jähriger Charlottenburger. Er tanzt mit ständig wechselnden Partnerinnen. „Die sitzen in doppelter Reihe am Rand und warten, aufgefordert zu werden“, sagt er.
Eben hat er mit seiner Tanzpartnerin für eine kleine Verschnaufpause am Rande der Tanzfläche Platz genommen. Ob sie ein Paar seien? „Nein! Ich versuch’s ja immer wieder, aber sie will nicht.“ Die Frau kichert. „Aber, wenn du uns entschuldigen würdest, wir sind dann mal wieder auf dem Parkett!“. Man duzt sich, die Atmosphäre ist locker. Getrunken wird Limonade und Wasser.
Berlin hat sich in den vergangenen vier Jahren zu Europas neuer Tangometropole entwickelt. 120 bis 150 Tänzer sind auf der heutigen Milonga, wie die Zusammentreffen von Tangofreunden heißen. Viele Tänzer kennen sich, aber es sind auch Touristen dabei. Eine ältere Dame in Jeans tanzt mit einem jungen Mann im Anzug, eine große Dünne im Minirock mit einem kleinen runden Pluderhosenträger.
Nach argentinischer Tradition hat der Mann die Frau aufzufordern. Das kostet manche Tänzerin Nerven und nicht wenige Tänzer Überwindung: „Gerade wenn man als Mann noch nicht so gut ist, kommt man sich vor, als wäre man ein Achtklässler, der ein Mädchen aus der Zwölften ins Kino einladen will“ sagt Tobias, 40. Caroline Schaper
Eintritt: 6 Euro
Sieht gut aus nach: der dritten Stunde
Wer das mag, mag auch: Nichts anderes mehr
Tangotanzen Macht Schön, Kreuzberg, Oranienstr. 185, U Görlitzer Bahnhof, Fr 20 Uhr, So 17 Uhr, Queer Tango jeden ersten Samstag im Monat ab 20 Uhr, Eintritt 6 Euro, www.tangotanzenmachtschoen.de
Mala Junta, Tangoschule, Schöneberg, Kolonnenstr. 29, 3. HH, U Kleistpark, Tel 78 71 24 53, www.malajunta.de
Nou, Tangoschule und Milongas, Charlottenburg, Zillestr. 79, U Bismarckstraße und Mitte, Chausseestraße 102, U Naturkundemuseum, www.noutangoberlin.de
Tangoloft Berlin, Tangoschule und Milongas, Wedding, Gerichtstr. 23, S + U Wedding, Tel 0157- 87 75 61 88, www.tangoloft-berlin.de
Forró im Brauhaus Südstern
Bei diesem früher in seiner Heimat als „Tanz des Pöbels“ verschrienen Vergnügen müssen die Hüften kreisen, es wird eng getanzt und niemals allein. Forró – das ist eine brasilianische Volksmusik und ein Paartanz aus dem ländlich geprägten Nordosten des Landes. In Berlin hat Forró inzwischen eine Fangemeinde, die weit über die brasilianische Community hinaus reicht.
Natalia Monko, Umwelttechnik-Studentin aus Polen, geht regelmäßig zum Forró. Ihr gefällt, dass es keine Regeln gibt, wie etwa beim argentinischen Tango. „Man greift sich einen Partner und legt los“, sagt sie. Es wird meist eng umschlungen getanzt. Wer nicht so sicher ist, schiebt sich mit dem Partner vorsichtig übers Parkett, die Könner wirbeln mit fliegenden Beinen und schnellen Drehungen umher.
Die klassische Trio-Besetzung aus Akkordeon, Triangel und Trommel wird heute um andere Instrumente ergänzt, längst gibt es moderne, urban-elektronische Varianten des Stils. Forró klingt wie eine Mischung aus Ska und Polka, es gibt aber auch langsame Formate wie Xote oder Baião. Auf jeden Fall ist Forró keine Musik, zu der man mit einem Capirinha in der Hand tanzen kann, ohne etwas zu verschütten. Friedhelm Teicke
Eintritt: 7 Euro
Sieht gut aus nach: Bei lockerer Hüfte schon nach wenigen Schritten
Wer das mag, mag auch: Merengue, Lambada
Brauhaus Südstern, Kreuzberg, Hasenheide 69, Jeden 1. Sa im Monat mit Anastácia e Banda, 20.30 Uhr, www.brauhaus-suedstern.de
Weitere Tanzschulen in Berlin
MAXIXE,Gabriele Busch, Obentrautstraße 60-62, 10963 Berlin, www.tanzschule-maxixe.de
Caminada Tanzstudio, El-Jarad/Gutzler GbR, Böckhstr. 21, 10967 Berlin, www.caminada.de
Dock 11, Kastanienallee 79, Gemeinnützige GmbH, 10437 Berlin, www.dock11-berlin.de