Stil

Velo-Couture – Fahrradmode

Ist die Zeit der glänzenden Radlerhosen vorbei? Einige Labels für Fahrradmode
ebnen den Weg zu einem neuen Trend: der Velo-Couture

Rad fahren ist in Mode. Nicht nur weil es in dieser Stadt meist das schnellste, in jedem Falle aber das umweltfreundlichste und bei der Parkplatzsuche das nervenschonendste Verkehrsmittel ist. Das Fahrrad ist Lifestyle-Accessoire und Statussymbol. So gehören alte Stahl-Rennräder, puristische Single-Speeds oder gemütliche Hollandräder längst genauso in das Straßenbild der beliebten Kieze wie der Designer-Kinderwagen. Und immer mehr Berliner sitzen immer länger im Sattel. Seit 2005 hat der Radverkehr in der Stadt jährlich durchschnittlich um sieben Prozent zugenommen.
Nun scheint es einigen nur darum zu gehen, unmissverständlich deutlich zu machen, dass man auf zwei Rädern unterwegs ist: So wie man sich in diesem Winter für den beschwerlichen Fußweg zum eingeschneiten Auto mit blizzarderprobtem Daunen-Hightech wappnete, passte das gelbe Trikot perfekt für den Radweg zum Bäcker, die im Schritt gut gepolsterte Hose durften auf der Strecke zur Arbeit nicht fehlen.
Wer im Büro nicht aussehen will, als wäre der Schreibtischjob nur eine Zwischenetappe der Tour de France, dem blieb bislang kaum eine Alternative, als sich normal zu kleiden und auf atmungsaktive Funktionswäsche zu verzichten. Dabei bringt das Rad als tägliches Transportmittel tatsächlich einige Ansprüche mit sich. Durch die gebückte Haltung fällt es in einer normalen Jeans schwer, hintenherum nicht ungewollt zu viel Haut zu zeigen, während es vorne am Bund gerne mal kneift. Auch das Treten, die gebeugten Schultern, die nach vorne gestreckten Arme und die andauernde Bewegung fordern ihren Tribut – da zwickt es hier, sitzt unbequem dort. Es regnet oder stürmt, man schwitzt oder friert, alles Faktoren, die  bei der Kleiderwahl bedacht werden müssen.


Foto: Emiliano Granado

Umso erleichternder also folgende Nachricht: Funktion, Alltagstauglichkeit und Schick müssen einander nicht mehr ausschließen. Das beweisen einige kleinere Anbieter aus den USA, Großbritannien und Deutschland.
Die Firmen Swrve und Osloh aus den USA zum Beispiel. Die bieten lässig sitzende Jeans, die vorne am Bauch tiefer, hinten hingegen etwas höher geschnitten sind. Sie kommen ohne auftragende Naht im Schritt aus, werden in der Kniepartie etwas breiter und ermöglichen so mehr Bewegungsfreiheit für entspannteres Fahren. Details wie eine Extra-Tasche für Stifte und Kleingeld oder eine Gürtelschlaufe fürs Schloss sind praktisch. Bei der Auswahl der Stoffe wird auf die richtige Anmutung, wie auf deren Dehnbarkeit und Atmungsaktivität geachtet.
Bei einigen Modellen versteckt sich die Funktionalität so geschickt, dass sie im besten Fall völlig unsichtbar bleibt, so wie der von innen eingenähte Reflektorstreifen im rechten Hosenbein bei Swrve. Oder die an Designerjeans erinnernden Osloh-Hosen, deren dezente Druckknopfschnallen das rechte Bein beim Fahren vor der öligen Kette schützen. Auch bei den Oberteilen geht es diskret: Die karierten Oberhemden des kleinen Münchner Unternehmens Triple2 sind gut ventilierte „Windjacken“ aus speziellem Stoff und mit extra Windschutz-Knopfleiste. Sogar Schuhe gibt es, die sich dank steiferer Sohle und wahlweise ausgestattet mit Klickpedalen nicht nur gut fahren, sondern mit denen man auch am erbarmungslosesten Türsteher vorbei kommt: die handgefertigten und an Rennrad-Tradition angelehnten Lederschnürer des Londoner Designers Quoq Pham. Wohl am besten gelingt es dem New Yorker Label Outlier den Anspruch von Funktionalität und elegantem Design zu kombinieren: So gibt es klassisch geschnittene Hemden aus wasserabweisender Baumwolle, Hosen, die wie ein Paar Jeans aussehen, aber aus Materialien gefertigt sind, die als extrem robust und flexibel gelten und wasser- wie schmutzabweisend sind.
So wie mancher Katalogversandhandel das Internet und mancher Elektronikkonzern den MP3-Player, haben die meisten großen Fahrradkleidungshersteller wie Vaude oder Gonso bislang den „Velo-Couture“-Trend verschlafen. Noch immer konzentrieren diese sich von Saison zu Saison vor allem auf Trikot-Muster, Farben und Stoffe. Die wirklich neuen Impulse hingegen kommen auf der einen Seite von jungen fahrradbegeisterten Firmengründern, auf der anderen Seite von Mode-Unternehmen wie der Luxusmarke Moncler oder Le Coq Sportive, die für ihre neuen Kollektionen diesen Trend aufgegriffen haben. Die wichtigsten Ideen und Macher entspringen der Fahrradkurierszene und deren urbanen Vernetzungen. Bislang allerdings findet man die neue „Velo Couture“ nur bei wenigen Händlern und Online-Shops. So wird noch eine Zeit vergehen, bis das Erscheinungsbild der Berliner Radfahrer merklich eleganter wird. Einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen mag, bietet die „Fahrrad Schau“, eine zweitägige Messe, die über Trends und Produkte informiert und zum Testen lädt.

Text: Alexander Soyez

5.3., 11-20 Uhr, 6.3., 11-18 Uhr, Station Berlin, Luckenwalder Str. 4-6, Kreuzberg, U Gleisdreieck, Eintritt 5 Euro, www.berlinerfahrradschau.de

Kostspielige Rennrad-Mode ist in der Villa Pasculli

Online-Shops: www.outlier.cc, www.osloh.com