Berlinopolis

Ostkreuz

An dieser Stadt haben sich schon viele versucht: Könige und Kaiser, Nazis, Kanzler und Bürgermeister – immer getrieben von der Sehnsucht nach Größe. Trotzdem ist Berlin bis heute nicht fertig. Überall Baustellen, überall neue Areale. Was wird daraus? Ein Blick auf die Hauptstadt der Zukunft, wenn der Größenwahn gesiegt hat

Der Ort
„Rostkreuz“ schimpften die Ost-Berliner das Ostkreuz in der DDR, seit Jahrzehnten ein Knäuel baufälliger und schwer durchschaubarer Treppen, Gleise und Übergänge. Dabei ist es seit 1882 einer der wichtigsten Knotenpunkte im Stadtverkehr. Anfangs hieß der Bahnhof noch Stralau-Rummelsburg. Stralau, ein kleines Fischerdorf auf der gleichnamigen Halbinsel, hatte gerade erst Anschluss an die Stadt gewonnen und entwickelte sich zum Industriestandort. Davon ist nicht viel übrig, die Gegend ist inzwischen eine begehrte Wohnlage. Südlich der Halbinsel liegt Treptow, das aus der Vogelperspektive den Anschein macht, als sei es von Verkehrsplanern vergessen worden. Wegen der unterschiedlichen Straßennetze im geteilten Berlin stöhnen Autofahrer noch heute über Umwege und Staus, wenn sie vom Norden in den Süden oder vom Osten in den Westen gelangen wollen.

Der Plan
Die Bahn modernisiert seit Jahren das Ostkreuz und baut es zum Haltepunkt für Regionalzüge aus. Züge, die stadteinwärts fahren, sollen künftig an einem einzigen Bahnsteig halten, überdacht von einer 132 Meter langen Halle. Davon profitieren auch die Stralauer in der Nachbarschaft. Investoren sehen die „Wasserstadt“ als künftige Exklusiv-Wohnlage, errichten Townhouses, Mehrfamilienhäuser und verwandeln marode Industriegebäude in Wohnraum. Eine weitere große Änderung ergibt sich, wenn mit dem 17. Bauabschnitt die A100 bis zur Frankfurter Allee verlängert wird. Die 3,2 Kilometer Autobahn vom Dreieck Neukölln bis zum Treptower Park hat Rot-Schwarz bereits beschlossen. Die östlichen Stadtteile könnten besser an die großen Trassen angebunden und das Zentrum vor dem Infarkt bewahrt werden – vor allem wenn noch mehr Verkehr in Richtung des neuen Flughafens in Schönefeld fließt. Die sechsspurige Autobahn würde an Stralau vorbei und unter dem Ostkreuz hindurch führen.

Der Haken
Der Umbau des Ostkreuzes ist weitgehend unumstritten, auch wenn die Arbeiten bei laufendem Betrieb noch Jahre andauern werden. Dabei kommen wohl auch weiter Verspätungen, Zugausfälle und Umwege auf die leidgeplagten Berliner hinzu. Anders sieht dies bei der A100 aus, die eng damit zusammenhängt. Über kaum ein anderes Bauvorhaben ist in Berlin so viel gestritten worden wie über den Ausbau des Innenrings. Die A100 ist das Berliner Stuttgart 21, ein Verkehrsprojekt, das die Stadt aufspaltet in Gegner und Befürworter. Spätestens 2018 wird eine 420 Millionen Euro teure Schneise Treptow entstellen und dabei, so viele Kritiker, das Verkehrsproblem eher noch verschärfen. Würde die Autobahn danach bis zur Frankfurter Allee weitergebaut, sie brächte auch den Stralauern Ungemach: Ihre Halbinsel wäre durch die Autobahn vom Rest der Stadt regelrecht abgeschnitten.