Familie

Wieder was gelernt: Die goldene Morgenstunde

Sie zieht sich jetzt die Bettdecke über den Kopf, sobald ich in ihr Zimmer trete. Bewegt sich nicht. Sagt kein Wort. Und hofft, dass ich wieder gehe, wenn sie nur lange genug stilliegt. Warum? Meine Tochter geht seit einigen Monaten zur Schule.

Ein neuer Lebensabschnitt. Und die Bettdecke, die sie jeden Morgen vorm Aufstehen bewahren soll, ist nur die auffälligste Veränderung. Dabei macht die Schule ihr Spaß. Aber sie ist halt nicht gerne wach, wenn der Mond noch am Himmel steht und die Dunkelheit die Stadt fest umklammert. Komisches Kind. 
Wir haben jetzt ein System entwickelt. Das zu etablieren, hat ein wenig gedauert. Tränen sind geflossen, nicht nur ihre, und Nerven strapaziert worden, nicht nur meine. Nun aber funktioniert es gut. Ich lasse meine Tochter ein paar Minuten unter der Decke liegen, während ich ein Pausenbrot schmiere, das sie am Ende eh nicht aufessen wird. Dann trage ich sie mitsamt Decke aufs Sofa im Wohnzimmer, wo sie weitere Minuten vor sich hinlümmeln kann, während ich das Frühstück vorbereite. Danach unterbinde ich ihre Versuche, etwas anderes anzuziehen als die am Abend gemeinsam rausgelegte Kleidung. Und als letztes, wenn die Uhr schon tickt, wage ich mich an einen neuen Versuch, meiner Tochter einen Zopf zu binden, der ihren Ansprüchen entspricht – während sie aufzählt, wer das alles besser kann als ich. 
Es ist ein Geben und Nehmen. Während ich an Kraft verliere, wird sie immer munterer. Am Ende, nachdem sie, sanft von mir angetrieben, doch noch die Schule erreicht, hüpft sie voller Energie die Treppen zu ihrem Klassenzimmer hoch. Ich stehe dann da, winke, lehne mich an die Schulmauer und täte nichts lieber als mir eine Decke über den Kopf zu ziehen.