Familie

Wieder was gelernt: Elternsprechtag

Sie dreht sich mit den Fingern einen Knoten ins Haar, ein Zeichen für ihre Nervosität. Verdammt, dabei sollte sie doch entspannt sein. Die Tochter unseres Redakteurs ist Erstklässlerin. Eigentlich viel zu früh, um wegen der Schule in Sorge zu geraten.

Wir Eltern sitzen neben ihr, gegenüber die Klassenlehrerin. Es geht um das Halbjahresgespräch, das ein Zeugnis ersetzen soll. Die Lehrerin hat einen Zettel dabei, ­darauf sollte meine Tochter in verschiedenen Bereichen ihre eigenen Leistungen bewerten, mit einem lachenden, einem neutralen oder einem traurigen Gesicht. Ich schaue aufs Blatt und sehe ausschließlich lachende Gesichter. „Ganz schön übermütig“, denke ich. Doch Frau Lehrerin bestätigt die Einschätzungen und lobt meine Tochter. Die nimmt endlich die Finger aus dem Haar und erzählt stolz von einem Mitschüler. „Schnelle Maus“ nenne er sie, weil sie ihre Aufgaben immer so rasch erledige. ­

Lächeln von allen Beteiligten, als wir den Raum verlassen. Das war easy, denke ich und erinnere mich an Elternsprechtage zu meiner Schulzeit. Während der Mittelstufe kehrte meine Mutter regelmäßig heulend von ihnen wieder. Da war zum Beispiel der gestrenge Französischlehrer, der meine Mutter erst minutenlang anschwieg, um dann mit nur einer Frage das Gespräch zu beenden: „Kennen Sie ­ihren Sohn eigentlich?“ Eine berechtigte Frage, deren ehrliche Antwort damals nur Nein lauten konnte. Noch durchschaue ich meine Tochter – was bin ich froh darüber! Am Schultor fasse ich ihr ins Haar und löse den Knoten. „Sollen wir Kuchen essen?“, frage ich. Sie nickt und nimmt meine Hand, auf dass ich sie durchs Leben führe. Wir verstehen uns, meine Tochter und ich, ein paar Jahre zumindest noch.

Geschichten über den Wahnsinn der Elternschaft:
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