Familie

Wieder was gelernt: Wie ich zum Lustmolch wurde

Ich habe ein Enkelkind und ich habe ein Problem. Nicht das Enkelkind, das ist total niedlich. Wären alle Menschen so niedlich, wären keine Kriege mehr nötig. Nein, das Problem ist nicht das Kind, das Problem bin ich.

Jedenfalls dann, wenn ich mich mit dem Kind in der Öffentlichkeit zeige. Denn zwar bin ich – das versichert mir die Statistik – nicht wesentlich jünger als andere ­Bewohner der Bundesrepublik Deutschland, die es gewagt haben, Großeltern geworden zu sein. Aber wenn ich mit meiner Tochter spazieren gehe und dann noch den Fehler mache, Hand an den Kinderwagen zu legen, in dem ihre Tochter sitzt, dann möchte ich nicht mehr in meiner Haut stecken. Denn die Blicke sind eindeutig. Sie sagen seltsam altmodische Sachen wie: Lustmolch. Oder: alter Bock. Sie fragen: Was macht denn der mit dem jungen Ding? Hat er seine Frau nach zwanzig Jahren Ehe sitzen lassen?

Was will die denn von dem, der könnte doch ihr Vater sein? Ja, die Menschen haben Vorurteile. Die man, zugegeben, auch selber hätte. Also möchte man sich am liebsten ein Schild umhängen, das alle diese Fragen schon mal vorsorglich beantwortet: Nicht, was Sie denken. Nein. Ich bin der Großvater! Und es tut mir ja leid, aber ich klemme an unliebsamer Stelle zwischen den Schubladen fest: Wäre ich 20 Jahre älter, wäre ich eindeutig der Opa. Wäre ich 20 Jahre jünger, würde sich auch niemand wundern. Vielleicht sollte ich darüber nachdenken, nach Prenzlauer Berg zu ziehen. Dort ist der Anblick eines rüs­tigen Spätvierzigers mit Kleinkind schließlich längst zur wundervollen Normalität geworden. Andererseits: Was ich über diese späten Väter denke, das möchte ich auch nicht über mich gedacht wissen.