Familie

Wieder was gelernt: Into the wild

Kai Röger fragt sich: Wieso gibt es so schrecklich traurige Kinderbücher? Oder ist das Buch "die Katze Leonore" eine Allegorie auf das nahe Ende der DDR und sollte nie in Kinderhände gelangen?

Der Kleine Prinz hat ein Kinderbuch geschenkt bekommen: „Die Katze Leonore“ heißt es und hat wirklich schöne Illustrationen, die ihm so gut gefallen, dass wir das Buch ständig vorlesen müssen. Wobei „vorlesen“ es eigentlich nicht trifft: In Wirklichkeit ist alles, was wir dem Kleinen Prinzen zur Katze Leonore erzählen, ausgedacht. Denn das Buch, kurz vor Mauerfall im Altberliner Verlag erschienen, ist schlichtweg das deprimierendste Kinderbuch, dass ich je gelesen habe: Die Katze Leonore ist anders als ihre Rassekatzen-Geschwister und wird kurzerhand aussortiert. Zunächst genießt sie das Leben in freier Wildbahn. Doch dann verletzt sie sich schwer – eine Bahnweiche klemmt ihr das Pfötchen ab. Humpelnd und angeschlagen lebt sie nun zurückgezogen, bis der Winter alles unter einem Leichentuch aus Schnee begräbt. Das Buch endet mit: „Sie ist fort. Weiß der Teufel, wo sie geblieben ist.“

Ich frage mich schon, was sich die Herren Verleger bei diesem Buch gedacht haben. Vielleicht ist „Die Katze Leonore“ ja eine Allegorie auf das nahe Ende der DDR und sollte nie in Kinderhände gelangen? Egal: Der Kleine Prinz liebt das Buch. Und wir dichten, was das Zeug hält: Die Katze Leonore ist bei uns viel hübscher und schlauer als ihre Schwestern. Deshalb darf sie auch Abenteuer auf eigene Faust erleben. Sie tanzt (auf drei Pfoten), hat viele Freunde (die man gerade nicht sieht), und als der Winter kommt und alles schön zugeschneit ist, sitzt sie zuhause am Kamin (leider auch nicht zu sehen). Irgendwann wird der Kleine Prinz merken, dass die Geschichte kein Happy End hat und wir ihn nach Strich und Faden belogen haben. Aber das gehört wohl zum Erwachsenwerden dazu. Hoffentlich bleibt uns noch ein bisschen Zeit. So dachten wohl auch die Genossen Verleger.